Die Geister werden sich wieder scheiden: Mit ihrer neuen Scheibe »The Gates Of Oblivion« werden DARK MOOR die Kluft zwischen denen vergrößern, die sich die Haare raufen, wenn sie nur den Namen der Spanier hören, und denen, die beim Anblick der episch-symphonischen Klänge verzückt Worte wie "beste spanische Band" in den Mund nehmen werden.
Fraglos ist der Neuling das ausgereifteste Werk der Spanier, so daß wir uns mit Gitarrist Enrik Garcia zum E-Mail-Plausch trafen.
Wie ist die aktuelle Situation für Metalbands in Spanien? DARK MOOR existieren seit 1994, so daß Ihr bestimmt auch Vergleiche zu früher ziehen könnt.
Die Situation hat sich sehr verbessert. Wir hatten am Anfang viele Probleme, weil die Leute und die Labels nicht sonderlich an DARK MOOR interessiert waren. Sie alle wollten eine Band, die spanische Texte macht, aber wir sind unserem Konzept treu geblieben. Daher waren wir damals nicht sonderlich populär, heutzutage jedoch verkaufen sich unsere Alben sehr gut und wir können unsere Auftritte unter guten Bedingungen absolvieren.
Warum seid Ihr für »The Gates Of Oblivion« wie schon beim Vorgänger »The Hall Of The Olden Dreams« nach Italien ins NEW SIN-Studio gegangen? Gibt es in Spanien keine guten Studios?
Es gibt gute Studios, aber sie sind sehr teuer und sind nicht auf Heavy Metal spezialisiert. Wir hatten unser Debüt »Shadowland« in unserer Heimatstadt Madrid aufgenommen, aber es war keine gute Erfahrung für uns: Der Engineer hat zwar sein Möglichstes getan, aber es ist einfach keine gute Aufnahme dabei entstanden. Anschließend bot uns unserer Label Arise die Möglichkeit, »The Hall Of The Olden Dreams« mit Luigi Stefanini vom NEW SIN aufzunehmen. Wir kannten ihn schon durch seine Arbeit mit LABYRINTH und waren von dem Resultat sehr begeistert. Luigi ist sehr professionell und wir haben vieles von ihm gelernt. Da bei »The Gates Of Oblivion« zudem das Mastering von Mika Jussila im FINNVOX-Studio übernommen wurde, hat sich die Soundqualität nochmal deutlich gesteigert, so daß wir mit unserem neuen Album sehr zufrieden sind.
Erneut hat Andreas Marschall Euer Cover gemalt. Andere Bands jedoch bevorzugen einen Künstler, der quasi ein Nachbar von Euch ist: Luis Royo. Habt Ihr jemals erwogen, ihn zu verpflichten, zumal sein Stil durchaus zu Euch passen würde?
Luis Royo ist ohne Zweifel sehr gut, aber wir waren immer große Fans von Andreas Marschall. Daher sind wir extrem froh, sein Artwork verwenden zu können und werden es sicherlich nicht ändern, solange wir die Möglichkeit haben, denn Andreas ist der Beste.
Euer aktuelles Cover hat einen deutlichen True Metal-Touch, während Eure Musik doch sehr viel mehr symphonisch und episch gehalten ist. Habt Ihr keine Bedenken, daß das Cover eine falsche Erwartungshaltung wachrufen könnte?
Nein, ich denke, daß unsere Cover perfekt zu unserer Musik passen. Andreas ist sehr professionell und er kann meiner Ansicht nach problemlos ganz unterschiedliche Stile umsetzen. Das Konzept für das neue Cover haben wir selbst entwickelt und ich glaube, daß es genau das widerspiegelt, was wir mit dem Album ausdrücken möchten.
Gestattet mir eine dumme Frage: Meines Wissens habt Ihr eine Sängerin und der Vorname "Elisa" unterstreicht das eigentlich. Wenn man dem Gesang jedoch lauscht, könnte man sich durchaus vorstellen, daß ein Mann am Werk ist. Gibt es irgendein Geheimnis hinter Elisas Gesangstechnik? Hat sie eine besondere Ausbildung genossen?
Hahaha! Ihre Stimme ist nun mal so. Aber viele Leute denken wirklich, daß wir einen Mann als Sänger hätten. Wir versuchen allerdings nicht, Elisa wie einen Mann klingen zu lassen (Es gibt bei DARK MOOR also kein Testosteron zum Frühstück... - Red.); sie hat eine sehr schöne Stimme, die aber eben nicht urtypisch wie andere Frauenstimmen klingt. Es mag sein, daß man sich ein wenig an ihren Gesang gewöhnen muß.
Gab es einen bestimmten Grund, warum Ihr Euch DARK MOOR genannt habt?
Nein, der Name klingt einfach sehr poetisch, aber er soll keine besondere Bedeutung haben.
Was antwortet Ihr Leuten, die behaupten, Ihr wäret ein RHAPSODY- oder ANGRA-Rip-Off?
Diese Frage beantworten wir zum ersten Mal, hahaha... Wir mögen die Musik dieser Bands sehr, aber wir versuchen, sie nicht zu kopieren. Ich empfehle allen, unsere Musik sorgfältig anzuhören, und sie werden feststellen, daß es meilenweite Unterschiede zwischen uns und diesen Bands gibt. Im Vergleich zu RHAPSODY sind viele Dinge bei uns völlig anders: Gesangslinien, Backingvocals, Gitarren, das orchestrale Arrangement und wir machen keine epischen Konzeptalben. Bezüglich ANGRA kann ich lediglich sagen, daß wir auch sehr melodische Backgroundchöre haben, aber das war's. Die Fans schätzen doch auch die PRIEST-Elemente bei PRIMAL FEAR und GAMMA RAY oder die STRATOVARIUS-Einflüsse bei SONATA ARCTICA, oder?
Erzähl' doch bitte etwas über das Konzept des Songs ›Dies Irae (Amadeus)‹, der mit über elf Minuten den Abschluß der neuen CD bildet. Habt Ihr Euch dem gleichnamigen Part aus Wolfgang Amadeus Mozarts ›Requiem‹; angenommen?
Richtig! Die Sopranparts, die Elisa singt wurden von Mozart geschrieben. Es ist mein Lieblingssong auf dem Album, allerdings war es bei den Aufnahmen zugleich der schwierigste Song - allein schon wegen der langen Spielzeit. Wir mußten allein einen kompletten Tag mit dem Chor arbeiten und auch der Rest war nicht gerade ein Spaziergang. Aber ich bin sehr zufrieden mit dem Endergebnis.
Wie kam eigentlich die Zusammenarbeit mit dem italienischen Valcavasia-Chor zustande?
Wir brauchten den Chor eigentlich nur für ›Dies Irae‹, aber letztendlich haben sie noch bei einigen anderen Songs mitgemischt. Die Zusammenarbeit war super, aber das witzigste war, den Chormitgliedern zuzuschauen, als sie zum ersten Mal den Doublebass bei ›Dies Irae‹ hörten: Ihnen sind die Gesichter regelrecht entgleist, weil sie dieses unglaubliche Tempo nicht begreifen konnten. Doch unterm Strich hat alles hervorragend geklappt und wahrscheinlich werden wir auch auf dem nächsten Album wieder mit dem Chor zusammenarbeiten.
Es ist offensichtlich, daß DARK MOOR von klassischer Musik beeinflußt sind. Welche Komponisten sind für Euch besonders wichtig?
Unsere Lieblingskomponisten neben Mozart sind Tschaikowskij und Beethoven.
Wird es nach dem dritten Album endlich mal die Chance geben, DARK MOOR live in Deutschland zu sehen. Bislang ist aus den Ankündigungen noch nichts geworden. Wie sehen eigentlich Eure Shows in Spanien aus?
Wir hoffen, daß wir nach dem Sommer in Deutschland spielen können oder zumindest Anfang 2003, denn für den Juni nächsten Jahres ist der Studiotermin für das vierte Album anvisiert. Ich weiß, daß wir viele Fans in Deutschland haben, die uns live sehen wollen und ich hoffe, daß wir ihren Wunsch erfüllen können. In Spanien spielen wir normalerweise vor etwa 500 bis 600 Leuten, allerdings sind wir auch schon bei Festivals oder großen Events aufgetreten, bei denen mehr Zuschauer da waren.
Wie verhält es sich mit der Sprachbarriere bei DARK MOOR? Wenn TIERRA SANTA in Deutschland auftreten, wirkt es doch immer reichlich peinlich, wenn die Musiker kein Wort mit dem Publikum kommunizieren, sondern nur ein paar spanische Wortfetzen ins Mikro murmeln.
Wir werden versuchen, ein paar deutsche Worte zu lernen, denn es ist wichtig, daß die Zuschauer sehen, daß die Band sie respektiert und Interesse an ihnen hat. Wenn wir beispielsweise im Baskenland spielen, versuchen wir immer, ein paar baskische Worte aufzuschnappen, so daß wir sie auf der Bühne benutzen können.
Einige spanische Bands sind in Südamerika sehr populär. Sind DARK MOOR "Big in Brazil & Co."?
Unsere Alben wurden in Südamerika veröffentlicht und die Verkaufszahlen sind zufriedenstellend. Daher würden wir gerne auch dort touren, aber im Moment denken wir nur an unsere bevorstehende Spanientour mit VHÄLDEMAR und RED WINE. Danach werden wir checken, in welchen anderen Ländern wir noch spielen können. Japan würde uns auch sehr am Herzen liegen, da wir dort auch sehr viele Fans haben.
Es ist bekannt, daß Eure Texte sehr von JRR Tolkiens Werken beeinflußt sind. Wie hat Euch der "Herr der Ringe"-Film gefallen, der Ende letzten Jahres angelaufen war und alle Kassenrekorde gesprengt hat?
Tolkien ist einer meiner Lieblingsautoren! Der Film hat mir sehr gut gefallen und die Special Effects waren fantastisch. Wenngleich der Film nicht die komplette Geschichte widergegeben hat, war die Adaption dennoch sehr gut.
Photos: El Abuelo