UNDERGROUND EMPIRE the ONLINE EMPIRE-Titel
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”UNDERGROUND EMPIRE 2”-Datasheet

Contents:  Lee Aaron-Interview

Date:  28.10.1989 (created), 12.07.2009 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 2

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue sold out! Several later issues still available; find details here!

Comment:

Natürlich war Lee Aaron zusammen mit Doro Pesch meine metallische Traumfrau - bei welchem Metaller war das damals nicht so!? Darüber hinaus ist Lee Aaron die einzige Musikerin, mit der ich mich jemals zusammen habe photographieren lassen - so ein typischer "Fan plus Star"-Shot eben, der an dieser Stelle natürlich nicht enthüllt wird. Schließlich gibt es in der Story schon jede Menge Photos von Lee zu sehen.

Interessant ist übrigens auch, daß ich beim Aufarbeiten des Lee Aaron-Interviews für die Onlineversion festgestellt habe, daß im Schlußwort ein Hinweis auf ein Livereview stand, das von Heinz-Günter hätte kommen sollen. Doch diese Idee wurde verworfen - so wie im UNDERGROUND EMPIRE auch später grundsätzlich keine Liveberichte zu finden waren, denn durch die unregelmäßige Erscheinensweise wären diese stets gnadenlos unaktuell gewesen. Das lange Zeit gewissermaßen schwelende "Living Underground"-Konzept wurde dann erst für die Onlineseiten umgesetzt, da sie die Möglichkeit einer halbwegs terminnahen Veröffentlichung von solchen Beiträgen bieten.

Supervisor:  Stefan Glas

 
 

Lee Aaron-Logo

Lee Aaron-Headline

Lee Aaron-Photo 1

Wenn man ein Interview mit einem bekannten Künstler führt, läuft man Gefahr, daß man mit vorgefertigten Meinungen und Erwartungen hineingeht. Wie heißt es doch so schön? Es kommt erstens alles anders und zweitens als man denkt. Zunächst einmal glaubte ich nicht mal im Traum daran, daß man mir gestatten würde, mit Lee Aaron zu sprechen, aber als hoffnungsloser Optimist, startete ich trotzdem einen Versuch, der dann - oh Wunder - auch noch gelang. Irgendwie stieg mit der Zeit in mir die Erwartungshaltung hoch, von ihr mit irgendwelchen einstudierten Standardantworten abgefertigt zu werden. Lee war jedoch ganz im Gegenteil sehr offen und wich auch unangenehmeren kritischen Fragen nicht aus. Statt der befürchteten oberflächlichen und tausendfach gehörten Antworten war Ehrlichkeit und Tiefgang angesagt. How deep does it go...

Lee Aaron-Photo 2

Deine Band hat über die Jahre einen ziemlichen stilistischen Wandel durchgemacht. Besonders auffällig war die abrupte Änderung auf der LP von 1987. Wie siehst Du diesen Wandel selbst?

Nun, ich will ehrlich sein, wenn man einen großen Plattenvertrag unterschreibt, wie ich zum Beispiel bei meiner letzten Platte auf VIRGIN, verliert man oft die Kontrolle über das, was sich abspielt. Weißt Du, die Plattenfirma, das sind die Leute, die das Geld haben und wenn sie Dir eine Viertelmillion Dollar geben, um eine LP zu machen, dann haben sie auch etwas dazu zu sagen, wie das Album zu klingen hat. Bei meinem letzten Album hatte VIRGIN RECORDS diese Vorstellungen, wie Lee Aaron sein und klingen sollte. Sie sahen mich mehr wie eine Pat Benatar, oder so ähnlich - ich weiß es eigentlich gar nicht so genau. Ehrlich gesagt, das letzte Album war absolut nicht unsere Idee, sondern die von VIRGIN. Das ist alles, was ich dazu sagen kann. Mit dem neuen Album sind wir wieder zurück, wo wir hin wollen.

So etwas ist für Dich als Künstler doch absolut beschissen, wenn jemand, der nur auf das Geld schaut, Dir vorschreibt, was Du zu spielen hast, weil Du überhaupt nicht Deinen eigenen Stil entwickeln kannst.

Unglücklicherweise ist das eine traurige Realität der Musikbusiness. Es ist schwer zu erklären, denn es gibt soviel Politik hinter der Musik, die die Fans überhaupt nicht verstehen. Ich habe überhaupt keinen Vertrag mit VIRGIN RECORDS unterschrieben, sondern ich bin vertraglich an mein kanadisches Label, mit denen ich einen sogenannten Künstlervertrag habe, gebunden. Ich habe also nur einen Vertrag für die LP mit meinem kanadischen Label. Für das gesamte Ausland, also USA oder Europa, unterschreibt der Präsident meines kanadischen Labels die Verträge. Ich habe überhaupt keine Kontrolle darüber. Als er den Deal mit VIRGIN RECORDS gemacht hatte, waren ihre Ideen anders als meine, aber ich hatte einfach keine Kontrolle darüber. Das beste Beispiel ist ein Song wie ›Powerline‹, der live soviel heavier und powervoll klingt als auf der LP. Die Schwäche des letzten Albums waren nicht die Songs, sondern die Produktion.

Lee Aaron-Photo 3

Ich glaube, das Problem der '87er LP war, daß man Deine Eigenheiten, Deine Persönlichkeit zerstört hat. Es war nicht Lee Aaron, sondern irgendwo war es etwas, das jeder hätte tun können.

Ja, so sehe ich das auch.

Wenn Du die freie Wahl hättest, zwischen einem Vertrag mit einem kleineren Label, das Dir absolute Freiheit läßt, bei dem Du aber nicht so viel Geld verdienen würdest und nicht so gut touren könntest und einem Vertrag mit einem großen Label, bei dem Du zwar viel Geld verdienst, etc., das Dir aber in Deine Musik reinredet, wofür würdest Du Dich entscheiden?

Mit der neuen Platte sind wir zurückgegangen zu einem kleineren Label, der METRONOME, und die Platte ist viel erfolgreicher für mich und wurde gerade in Kanada vergoldet. Die letzte LP bei VIRGIN ist ein perfektes Beispiel: Sie haben mir die künstlerische Kontrolle entzogen und haben viel Geld für mich ausgegeben, und es wurde nicht mein erfolgreichstes Album. Ich denke, eine gute Platte ist eine gute Platte, egal ob sie auf einem großen oder einem kleinen Label erscheint! Ich würde also lieber auf einem kleineren Label sein und mehr Entscheidungsgewalt haben.

Als ich hörte, daß Lee Aaron und NAZARETH zusammen auf Tour kommen, hatte ich sofort Bedenken aufgrund der Kombination zweier ungleicher Bands (man denke nur an das SLAYER/MALICE-Package vor einigen Jahren - Red.). Gab es bisher irgendwelche Probleme?

Wir wußten überhaupt nicht, was auf der Tour passieren würde. Wir waren uns noch nicht mal sicher, ob NAZARETH uns überhaupt haben wollten und uns gut behandeln würden. Es war klar, daß wir in Deutschland touren mußten und wir hatten Bedenken, aufgrund der letzten LP, eine Headlinertour durchzuziehen. Wir waren uns noch nicht mal sicher, ob die Fans die neue Platte akzeptieren würden, eben wegen der Vorgänger-LP bei VIRGIN. Die Zeit jedoch war genau richtig, um hier zu spielen und lediglich die NAZARETH-Tour stand zur Verfügung. Daher stand zur Auswahl, mit NAZARETH zu kommen oder überhaupt nicht. Wir haben uns für NAZARETH entschieden und bis jetzt ist alles echt gut verlaufen. Weißt Du Rock'n'Roll ist Rock'n'Roll und eine Band wie NAZARETH hat mich und meinen Gitarristen John sehr beeinflußt. Die schöne Sache an dieser Tour ist, daß die Fans sowohl die alte, als auch die neue Musik schätzen. Die Bands lernen irgendwie voneinander. Wir bringen NAZARETH ein paar neue Tricks bei und sie uns ein paar alte Tricks. Ich denke, es ist eine gute Kombination und dazukommt noch, daß die NAZARETH Musiker tolle Leute sind.

Lee Aaron-Photo 4

Mir hat der Auftritt heute Abend sehr gut gefallen. Mich hat lediglich dieser "Mami spielt mit ihren Kindern"-Teil, also dieser Standard-Mitsing-Teil, gestört. Ich finde das stinklangweilig, weil es heute jede Band macht.

Weißt Du, am Anfang dieser Tour hatte ich das nicht getan, weil ich es auch etwas alt finde, aber jeden Abend, wenn ich einfach "Hey" ins Publikum gerufen habe, haben sie sofort mit "Hey" geantwortet. Die Kids wollen singen, sie wollen in Show miteinbezogen werden. Ich glaubte, daß die Leute etwas vermissen würden, wenn ich diesen Teil nicht bringen würde, und so habe ich es eben doch gemacht.

Inwiefern, glaubst Du, wird jemand, der zu einem Lee Aaron-Konzert geht, bei dieser Entscheidung durch Dein tolles Aussehen beeinflußt?

Ich spiele mein Aussehen nicht herunter, weil ich eine Frau bin und gerne attraktiv bin. Wenn ich eine Sekretärin wäre, dann wollte ich auch attraktiv aussehen, wie eigentlich jede andere Frau auch. Nur wenn man bedenkt, daß ich schon seit zehn Jahren im Musikgeschäft bin und fünf LPs veröffentlicht habe, muß einfach auch etwas musikalisches Talent vorhanden sein. Wenn ich Songs schreibe und Platten mache, sehe ich schrecklich aus. Die Musik ist mir das wichtigste, und es ist ebenso wichtig gut in der Liveshow zu sein. Laß' es mich so ausdrücken: Wenn ich widerlich aussehen und stinken würde, glaubst Du jemand würde kommen, um mich zu sehen? Nebenbei kommen auch viele Mädchen zu meinen Auftritten, und ich glaube kaum, daß sie wegen meines Aussehens kommen.

Frustriert es Dich als Musiker aber nicht, daß möglicherweise ein Teil Deines Erfolges auf Deinem Aussehen basiert?

Ich mache mir darüber kaum Gedanken. Ich verkaufe Platten und dann muß einfach auch Musik drauf sein, die den Leuten gefällt. Wer würde wohl 20 DM für eine Platte ausgeben, wenn ihm die Musik nicht gefällt? Weißt Du, das wichtigste in der gesamten Unterhaltungsindustrie ist die Musik, aber ein gutes Aussehen und ein Charisma, eine gute Ausstrahlung hilft. Nimm zum Beispiel Steven Taylor von AEROSMITH, den viele Frauen sehr sexy finden. Das beruht nicht nur auf seinem Aussehen, sondern auch auf seinem Auftreten auf der Bühne und seiner gesamte Persönlichkeit. Er hat etwas, das er den Leuten geben kann und außerdem hat AEROSMITH exzellente Musik. Sein Aussehen und seine Persönlichkeit ist bereits ein Teil seiner künstlerischen Tätigkeit. Wenn ich ein bestimmtes Cover habe, dann ist das für mich auch schon etwas wie Kunst.

Lee Aaron-Photo 5

Kann man also sagen, daß die Art wie Du Dich auf Deinen Covern oder live präsentierst, die Art ist, in der Du willst, daß die Leute Dich sehen?

Ja, schau Dir doch mal den Auftritt heute Abend an. Hast Du eine Sexshow gesehen? Nein, es war eine Rock'n'Roll-Band mit einer weiblichen Sängerin, und wir hatten einfach Spaß. Irgendwie ist es so seltsam in diesem Business. Wenn man als Frau im Hard Rock nicht gut aussieht, dann machen die Männer Witze über Dich hinter Deinem Rücken, egal wie talentiert Du bist. Wenn Du aber attraktiv bist, dann sinkt sofort Deine Glaubwürdigkeit als Musiker. Weißt Du, ich schreibe meine eigenen Lieder, ich arbeite hart und versuche, gute Platten zu machen. Wenn man gut aussieht im Musikbusiness, dann ist es eigentlich nur ein zusätzlicher Bonus.

Ist Lee Aaron eigentlich Dein Soloprojekt oder mehr eine richtige Band. Wie siehst Du das?

Du mußt bedenken, daß in den meisten Bands nicht alle Musiker Songs schreiben. Ich kann eigentlich nicht sagen, daß Lee Aaron eine Band ist, denn eigentlich besteht die Formation Lee Aaron aus John Albani und mir. Schau Dir zum Beispiel die EURYTHMICS an, die zwar eine total andere Musik machen, aber dort ist es genauso, denn die EURYTHMICS sind Annie Lennox und Dave Stewart, weil sie die Lieder schreiben. Bei Lee Aaron schreiben schreiben John Albani und ich die Songs und wir suchen uns gute Musiker für die Tourneen. Ich hoffe jedoch, daß die jetzige Besetzung zusammenbleibt. Ich bin keine erbarmungslose Person, die nur das "hire and fire"-Spiel betreibt, aber manchmal geht es einfach nicht anders. Meine letzte Band mußte ein Musiker verlassen, weil er große Probleme mit Alkohol hatte. Meiner Meinung nach muß man seine Arbeit gut machen. Wenn nicht, dann wird man gefeuert. Das ist eine Realität in diesem Business. Schau Dir BON JOVI an. BON JOVI ist keine echte Band. Richie Samboa und John Bon Jovi schreiben die Songs und alle anderen sind nur angeheuerte Nebenmänner. In jeder Band gibt es "Hauptdarsteller" und genauso ist Lee Aaron John Albani und ich. Wenn John mich verlassen würde, dann würde ich zwar weiterhin Platten machen, aber sie würden total anders klingen, weil John ein wichtiger Teil des Lee Aaron-Sounds ist.

Lee Aaron-Photo 6

Dennoch schreibt Ihr beide nicht das gesamte Material.

Nimm zum Beispiel das neue Album. John und ich haben das meiste Material geschrieben, Weißt Du, wenn man neun Monate on the road ist, dann hat man vielleicht hinterher eine Zeit, in der man gute Lieder schreibt, und dann kommt plötzlich ein Einbruch, und es klappt nicht mehr besonderes. An einem solchen Punkt, bevor ich total unproduktiv werde, rufe ich meine Plattenfirma an und frage, wer zur Verfügung stünde, mit dem wir zusammenarbeiten können. Meistens inspiriert es mich sehr, mit anderen Leuten, die neue Ideen haben, zusammenzuarbeiten.

Zu Hause habe ich eine uralte 4-Track-EP von Dir...

Ich weiß, was Du mich fragen willst. Das einzige, das ich dazu sagen kann, ist daß ich nicht zuviel darüber reden will. Es ist schon eine lange Zeit her und ich war damals ein junges Mädchen von 18 Jahren. Ich hatte zu der Zeit einen Manager, der mir genau vorschrieb, was ich zu tun hatte. Ich schaute ihn immer mit großen Augen an und fragte, "Wirklich? Soll ich das tun?". Ich war einfach sehr jung und wußte nicht, was ich zu tun hatte und diese Fotos haben absolut nichts mit meinem musikalischen Erfolg zu tun! Ich würde heute so etwas nicht mehr wieder tun!

Lee Aaron-Photo 7

Was sie auch nicht nötig hat, denn ihre Musik spricht für sich, was sie bei ihrem Auftritt nachdrücklich unter Beweis stellte. Darüber werdet Ihr aber in Heinz-Günters Konzertbericht noch Genaueres lesen können. Ich möchte nur betonen, daß der Gig wirklich toll war. Neben älteren Songs, die fast schon Lee Aaron-Klassiker sind, wie ›Metal Queen‹, konnten auch neue Tracks wie ›Yesterday‹ oder ›Rebel Angel‹ gleichermaßen überzeugen. Wirklich überwältigt hat mich die aktuelle Ballade ›How Deep‹, die ich dann geschwind zum Titel des Interviews erkoren habe.

http://www.leeaaron.com/

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Stefan Glas

Photos: Stefan Glas [Photo 2-7]

Lee Aaron im Überblick:
Lee Aaron – Fire And Gasoline (Rundling-Review von 2016 aus Online Empire 66)
Lee Aaron – Radio On! (Rundling-Review von 2021 aus Online Empire 88)
Lee Aaron – Slick Chick (Rundling-Review von 2001 aus Online Empire 9)
Lee Aaron – Underground Empire 2-Interview (aus dem Jahr 1990)
Lee Aaron – Online Empire 22-"Eye 2 I"-Artikel: »Live In London« (aus dem Jahr 2005)
Lee Aaron – Online Empire 24-"Eye 2 I"-Artikel: »Live In London« (aus dem Jahr 2005)
Lee Aaron – News vom 15.09.2000
Lee Aaron – News vom 31.12.2007
Lee Aaron – News vom 18.02.2008
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