EPICA (NL)
OPHIDIAN (L)
Esch/Alzette (Luxemburg), Kulturfabrik
04.02.2006
Irgendetwas muß mit mir geschehen sein: Unlängst von einem Freund zu einem EPICA-Konzertbesuch überredet worden, finde ich mich keine vier Monate später zu dritten Mal bei einer Show der Holländer wieder. Doch was sind die Gründe dafür? Die Platten der Band hatten mir zwar gefallen, schafften es aber nicht, mich in Extase zu versetzen. Sicherlich ist EPICA-Sängerin Simone Simons eine wunderschöne Frau, doch das hatte ich auch schon vor der Live-Experience anhand der Promophotos herausgefunden und war trotzdem nicht zum EPICA-Fanatiker konvertiert worden. Und ich kann obendrein garantieren, daß es nicht der billige Sprit war, der mich nach Luxemburg gelockt hatte, obgleich die Differenz zu bundesrepublikanischen Zapfsäulen aktuelle 19 Cent betrug. Daher kann die Antwort auf obige Frage wohl nur lauten, daß etwas Magisches in der Luft liegen muß, wenn diese Band die Bühne betritt.
Doch zunächst dürfen in Esch/Alzette, wenige Kilometer südlich von der Stadt Luxemburg, die aus dem Großherzogtum stammenden OPHIDIAN an die Front. Leider jedoch kann die Truppe um Sängerin Caroline Clement mit ihrem Gothic-angehauchten Power Metal wie schon auf Platte nur einen mäßigen Eindruck hinterlassen, da die Songs nicht griffig genug sind. Spätestens bei der in den Set eingebauten NEVERMORE-Coverversion wird deutlich, daß OPHIDIAN noch einige Spielklassen weiter unten anzusiedeln sind.
Doch die Offenbarung sollte erneut dann erfolgen, wenn der Headliner auf die Bühne geht: Man spürt EPICA zu jeder Sekunde an, daß sie die letzten Monate, sofern sie nicht im Studio waren, quasi ausschließlich on the road gelebt haben, so daß in knapp drei Jahren 220 Shows rund um den Globus zusammengekommen sind. Tight auf einander eingespielt und sich blind verstehend bewegen sich die Musiker über die Bretter, ohne dabei den Eindruck von abgestumpften Profis zu machen. Nein, der Spaß, den das Livespielen mit sich bringt, ist Gitarrist Mark Jansen, der EPICA nach seinem Ausstieg bei AFTER FOREVER gegründet hatte, und seinen Mitstreitern, Ad Sluijter (g), Yves Huts (b), Coen Janssen (k), Jeroen Simons (d), jederzeit anzumerken, was von den zahlreich erschienenen Fans mit euphorischen Begeisterungsbekundungen honoriert wird. All dies sind Gründe, warum jene Songs, die auf Tonträger ein wenig steif und verkopft klingen, live organisch und mitreißend rüberkommen. Positiv trägt an diesem Abend auch die Location zum Gesamteindruck bei: Die Kulturfabrik in Esch ist geräumig und hat eine hohe Bühne, so daß EPICA auch ihre Bühnendeko einsetzen können.
Doch ganz gleich wie souverän die Instrumentalisten ihren Part bewältigen, nichts prägt eine EPICA-Show so sehr wie das Auftreten von Sängerin Simone. Stimmlich ohnehin über jegliche Zweifel erhaben, glänzt sie vor allem durch ein facettenreiches Spiel mit dem Publikum. Wo viele ihrer Kolleginnen eher eindimensional vorgehen, beherrscht Simone die gesamte Palette perfekt: vom schüchternen Mädchen oder der zarten Elfe bis zur Powerfrau oder der unerreichbaren Diva, von der statuenhaften Grazie bis zum Propellerbanger. Doch ganz gleich, welcher Spielart sie sich gerade bedient, sie bleibt stets charmant und gewinnend. Exemplarisch dafür sei eine Szene geschildert, in der der hinter den Monitorboxen angebrachte Ventilator Simones Oberteil Marilyn Monroe-like hochwirbelt und sie mit erschreckten "Ooops" ihr Hemdchen wieder bändigt, um dann mit ihrer Ansage fortzufahren und diesen Vorfall spontan zu reflektieren: "...and the next song is not called "Oops", but its' title is..." Woher nimmt dieses 21-jährige Mädel, die vor EPICA keinerlei Banderfahrung gesammelt hat, nur diese Fähigkeiten? Wer Simone live gesehen hat, wird mir zustimmen: Sie ist nicht nur das hübscheste Gesicht, sondern auch die beste Frontlady der gesamten Szene!
Mit einer treffsicheren nächsten Platte, die die Livequalitäten von EPICA einfängt, kann die Band explodieren und nach ganz oben durchstarten. Denn: Wer EPICA einmal live gesehen hat, wird garantiert wiederkommen. So ist wohl auch zu erklären, was mit mir geschehen ist: Ich bin zum glühenden EPICA-Verehrer geworden!
Photos: Stefan Glas