Kaum eine Reunion hat die Freunde der langsamen, zähflüssigen Klänge in letzter Zeit derart in Wallungen gebracht, wie jene der schwedischen Institution COUNT RAVEN. Nachdem man im letzten Jahr mehrere Auftritte (unter anderem beim "Doom Shall Rise", beim "Keep It True" und in Wacken) erfolgreich und viel umjubelt absolvieren konnte, erschienen vor wenigen Wochen sämtliche, seit längerer Zeit mehr oder weniger nicht mehr zu erhaltende Alben der Schweden via CYCLONE EMPIRE in Neuauflage. Wie es sich für Re-Releases gehört, war man auch nicht gerade knauserig und so wurden »Storm Warning«, »Destruction Of The Void«, »High On Infinity« und »Messiah Of Confusion« allesamt mit diversen "Bonüssen" gespickt, die es in sich haben. Darüber hinaus bot sich auch die Gelegenheit, mit den Herrschaften, genauer gesagt mit Bassist Tommy "Wilbur" Eriksson (der von Sänger und Gitarrist Dan "Fodde" Fondelius bei der einen Frage zum Thema Texte unterstützt wurde), einen schriftlichen Schlagabtausch zu führen, der wie folgt endete:
Zunächst muß festgehalten werden, daß es eine fantastische Idee war, Eure Alben neu aufzulegen.
Danke sehr, wenn es den Fans gefällt, sind auch wir zufrieden!
Was war der Grund für die Reunion, die es schon vor einiger Zeit zu bejubeln galt?
Wir waren zunächst absolut unschlüssig, ob wir es überhaupt wagen sollten. Als wir aber erfahren hatten, daß unsere Scheiben für bis zu 50 Euro im Internet angeboten werden, waren wir uns einig, daß wohl offenbar noch immer Interesse an COUNT RAVEN besteht. Und als uns dann eine Plattenfirma aus Australien kontaktiert hatte, um unsere Alben neu auflegen zu dürfen, da der Kerl sicher war, daß es sich um eine lukrative Angelegenheit handeln würde, haben wir uns schnell sehr intensiv darüber unterhalten. Daraus ist im Endeffekt die Reunion geworden, denn wir waren uns darüber einig geworden, daß COUNT RAVEN noch eine Zukunft hätten.
Inwiefern waren die in Folge absolvierten Gigs ausschlaggebend dafür?
In gewisser Weise schon, vor allem für unser Selbstvertrauen waren diese Gigs ungemein wichtig. Da waren wahrlich unvergeßliche Momente dabei! Ich bin mir sicher, manche dieser Auftritte mein Leben lang in Erinnerung zu behalten, so überwältigt war ich. Klar sind wir mit bestimmten Erwartungen an die Sache herangegangen, aber schon bei den ersten Auftritten in Finnland im letzten Frühling war die Euphorie unglaublich! Ein derart intensives Gefühl hatte ich noch selten zuvor auf der Bühne empfunden. Es war einfach unglaublich, die Meute ist voll mitgegangen und hat Dan beim Gesang von der ersten Silbe an unterstützt. Seit diesem Zeitpunkt waren wir uns sicher, daß sowohl die Reunion, wie auch die Neuauflage unserer Scheiben Sinn machen würden.
Und wem darf nun gedankt werden, daß Eure Scheiben abermals veröffentlicht wurden?
Zunächst mit Sicherheit PANDEMONIUM RECORDS aus Australien und deren Mitarbeiter Mark, der uns regelrecht penetriert hat, um uns wieder zusammenzuraufen. Klarerweise gilt der Dank letztendlich aber Martin und CYCLONE EMPIRE, die unsere Alben in feinster Form veröffentlicht haben und denen wir es zu verdanken haben, daß auch die Promotion dafür gut über die Runden geht.
Wenn Ihr Eure Karriere ein wenig im Rückspiegel betrachtet, was waren die Höhepunkte, wo lagen die Abgründe?
Die allererste Tournee im Vorprogramm von SAINT VITUS bleibt wohl auf ewige Zeiten eines der absoluten Highlights unserer Karriere. Wenn ich an den damaligen Auftritt in Frankfurt denke, bekomme ich noch heute eine Gänsehaut. Es gab noch weitere, fast schon magische Auftritte im Rahmen dieser Tournee, die uns schwer beeindruckt haben. Allerdings haben wir im Laufe der Jahre auch einige Niederlagen einstecken müssen. Da wäre zunächst ein mehr als peinlicher Auftritt in Wales zu nennen. Wir spielten in einem Pub, in dem vor der Bühne mittig plazierte Tischen standen. An jenen saßen eine Menge Leute, die sich lediglich unterhalten wollten und sich einen feuchten Kehricht um die Musik kümmerten. Irgendwann gingen wir ihnen offenbar dermaßen auf den Senkel, daß sie begannen, uns mit dem Inventar zu bewerfen. Mein Gott, ich dachte, sie würden uns zerfleischen, so aggressiv ist die Meute gewesen. Wales war generell nicht gerade freundlich zu uns. Wir fühlten uns teilweise regelrecht verfolgt, da man auf Tournee jeden unserer Handgriffe ganz genau beobachtete, um ja nicht zu versäumen, was diese Langhaarigen denn nun wieder verbrechen würden. Wir konnten nicht einmal mehr in Ruhe mit unserem Van zu einer Tankstelle fahren, ohne dabei blöd angeguckt zu werden. Es war schrecklich! In England war es auch nicht viel besser. Dort waren zwar die Menschen an sich freundlicher, die Booker aber keinen Deut besser. In irgendeinem Provinzkaff ist es uns einmal passiert, daß bei einem unserer Auftritte nach wenigen Minuten der Großteil der Anwesenden fast fluchtartig den Saal verlassen hatte. Im Nachhinein stellte sich heraus, daß nicht wir daran schuld waren, sondern daß der letzte Autobus in Richtung Stadt bereits abfahrbereit war. Ich meine, wenn ich einen solchen Club führe, muß ich eben die Gigs früher ansetzen. Generell kann man unsere Tiefschläge wohl mit "Eindrücke von den britischen Inseln" beschreiben.
Zum Glück passiert so etwas nicht alle Tage und schon gar nicht überall. Hier bei uns sollten derlei Vorfälle wohl unmöglich sein, da die Veranstalter gecheckt haben, worum es geht, nicht zuletzt deshalb, weil der Doom offensichtlich so etwas wie einen zweiten Frühling erlebt. Mittlerweile gibt es einschlägige Festivals und die bekannteren Bands dieses Genres, wie ihr beispielsweise, werden auch für andere Festivals gebucht. Wie seht Ihr die Lage dieser Musik?
Ich würde sagen, es ist Zeit, daß die Leute mitbekommen, daß nichts über ehrliche Musik geht. Gute Musik gibt es darüber hinaus auch abseits der gängigen Acts wie AC/DC oder den SCORPIONS. Bands wie diesen tut wohl eine gewisse "Konkurrenz" ebenfalls nicht schlecht, denn die Alleinherrschaft auf dem Markt haben sie auch nicht.
Ihr hattet eigentlich immer positive Pressekritiken, habt es aber dennoch nicht wirklich geschafft, auf breiter Basis Akzeptanz und Bekanntheit zu erlangen. Lag es denn an diesem Denken der Menschen?
Wahrscheinlich. Obwohl wir uns niemals darüber den Kopf zerbrochen haben, wie unsere Songs nun ankommen würden. In erster Linie haben wir auf unser Gefühl gehört und die Riffs sind quasi aus uns gesprudelt.
Im direkten Vergleich eurer Alben fällt auf, daß ihr im Laufe der Zeit zwar immer heavier, aber weniger doomig geworden seid. Fällt das nur mir auf?
Wir selbst haben uns nie als so genannte "Doom-Band" bezeichnet! Wir sind uns zwar bewußt, in dieser Schublade zu stecken, haben das aber immer differenzierter betrachtet. Wir bezeichnen unsere Musik schlicht und einfach als Hard Rock, da ist doch nichts falsch dran, oder? Uns ist es im Prinzip egal, wie man unsere Musik bezeichnet, allerdings gestehe ich, daß alle Musiker jener Formationen, die man landläufig als "Doom-Bands" bezeichnet, mit zu den nettesten und freundlichsten Zeitgenossen zählen, die ich kenne. Woran das liegt, weiß ich zwar nicht, es ist aber so. Von daher stört es mich keineswegs, als "Doomer" bezeichnet zu werden. [lacht]
Gehe ich recht in der Annahme, daß Ihr in Europa bisher am erfolgreichsten gewesen seid?
Nicht unbedingt. Wir haben Teile von Europa erst jetzt für uns erobern können, wie beispielsweise Finnland. Aber wir hatten in der Vergangenheit sehr wohl eine sehr treue Fanbase in Deutschland, Italien, Griechenland und auch in Spanien. Allerdings hatten wir auch in Rußland und beiden Teilen von Amerika immer Fans. Besonders hervorheben muß ich Südafrika, dort gibt es einen Fanclub, der sich jeden Mittwoch trifft, um COUNT RAVEN zu hören, so etwas klingt schon beeindruckend, oder? Ich denke, die ganze Welt wartet auf uns, nicht nur jener Teil von Europa, der uns seit den "HELLHOUND-Tagen" kennt, also Deutschland, Österreich, Holland, Schweden und Belgien. Sogar Zuschriften aus Peru sind schon bei mir eingetroffen, das ist doch auch nicht übel. Wenn ich nach den Worten unserer früheren Plattenfirma HELLHOUND gehe, haben wir zwar angeblich nie irgendwo nennenswerte Verkaufszahlen vorweisen können, aber wen interessiert das heute noch? Dank CYCLONE EMPIRE wird es bald in jedem Haushalt auf dieser Welt eine COUNT RAVEN-CD geben. [lacht]
Wie ist die Zusammenarbeit mit diesem noch weitgehend unbekannten Label zustande gekommen?
Der Vertrag wurde mehr oder weniger beim zweiten "Doom Shall Rise"-Festival eingefädelt. Allerdings begannen wir dieses Festival eher weniger geschäftstüchtig, woran ich einen Großteil der Schuld trage. Wir kamen einen Tag vor unserem Auftritt an und wollten zunächst einige Bands treffen, auf der Bühne sehen und generell ein wenig von der Atmosphäre genießen. Auf dem Weg zur Halle haben wir aber dermaßen viel Bekannte getroffen, mit denen ich unbedingt ein paar Worte wechseln wollte, so daß ansonsten nicht mehr viel zu machen war. Auch am folgenden Tag starteten wir ähnlich, bis ich irgendwann begann, mit einer sehr netten jungen Dame am T-Shirt-Stand zu plaudern. Offensichtlich derart irritiert von diesem weiblichen Wesen vergaß ich alles rund um mich, unter anderem auch, daß mich ein junger Mann namens Martin desöfteren aus dem Gespräch losreißen wollte, um mit mir wichtige Dinge zu besprechen. Was kann es denn Wichtigeres geben, wenn man sich eben mit einem Mädchen unterhält?
Ein paar Tage nach dem Festival und nach einigen dringenden Mails von Martin wurde mir aber sehr schnell klar, was er eigentlich besprechen wollte. Frauen hin oder her, der Kerl hatte uns einen Vertrag für die Neuauflage aller COUNT RAVEN-Alben anzubieten, was ja nicht gerade übel war. [lacht]
Da können wir wohl von Glück sprechen, daß der Knabe derart penetrant war. Obwohl die Geschichte doch recht amüsant klingt, scheint Ihr ansonsten nicht unbedingt die "Spaßbacken" zu sein, wie auch in Euren Texten nachzuvollziehen ist.
Auch das Leben an sich ist nicht immer nur unterhaltsam. Die Einflüsse für unsere Texte beziehe ich generell aus dem Leben an sich. Wenn jemand die Chance hat, sich durch Musik ausdrücken zu können und so von zahlreichen Menschen gehört wird, hat er meiner Meinung nach auch die Pflicht, seine Lieder so zu gestalten, daß diese eine Aussage haben. Leider ist das noch nicht überall hin durchgedrungen, aber zumindest für uns gehen wir nach diesem Schema vor. Die Texte reflektieren das tägliche Leben, man läßt quasi seine Gedanken für sich sprechen, daher sind unsere Lyrics nicht wirklich unterhaltsam, im eigentlichen Sinne.
Ungemein beeindruckend fand ich bei COUNT RAVEN auch schon immer die Gestaltung der Covers. Könnt mir diesbezüglich etwas erzählen?
Die Motive für die ersten beiden Alben stammen von einem Künstler namens Valdes Leal. Es handelt sich um Gemälde, die an und für sich im Hospital Le Cariba in Sevilla zu finden sind. Mit der Unterstützung der zuständigen Herrschaften durften wir diese beiden Motive problemlos verwenden. Auf »High On Infinity« ließen wir HELLHOUND RECORDS freie Wahl. Ich glaube, das Gesicht ist von einer Figur einer französischen Burg oder einer Kirche entnommen. Auch für das ursprüngliche Cover von »Messiah Of Confusion« ließen wir sie ein Motiv wählen, allerdings finde ich dieses im Nachhinein weniger gelungen. Erst das für die Neuauflage verwendete, von einem deutschen Künstler namens Christoph "Stripe" Schinzel gestaltete, kann sich sehen lassen. Wir haben diesen Kerl übrigens auf dem "Keep It True"-Festival kennengelernt. Nach einer kurzen Unterhaltung über alles Mögliche sind wir irgendwie darauf zu sprechen gekommen und er erhielt seine Chance, die er auch zu nutzen wußte. (Von Christoph stammt übrigens auch das Cover unserer 23. Online-Ausgabe. - sg)
Künstlerisch anspruchsvoll vom malerischen Aspekt betrachtet, waren aber sämtliche Eurer Covermotive. Besteht Eurer Meinung nach eine Beziehung zwischen der Malerei und Musik?
Das ist eine knifflige Frage! Ich glaube schon, denn allein die unzähligen Covers aus dem Bereich der harten Rockmusik, die gemalt sind, sollten ausreichen, um einen klaren Zusammenhang herstellen zu lassen. Damit aber noch nicht genug, wenn ich in meinen Kleiderschrank sehe und meine T-Shirts betrachte, dann habe ich gar nicht viele, auf denen kein Gemälde, oder zumindest ein Teil davon, zu sehen ist. Ich würde mich ehrlich gesagt irgendwie nackt fühlen, wenn ich darauf verzichten müßte. [lacht] Sieh dich nur einmal um und stell' dir vor, auf allen Shirts wäre weder ein Bild noch ein Emblem, die ja zum Teil auch recht künstlerisch gestaltet sind, würde da noch viel übrig bleiben? Ich denke jedenfalls nicht.
Bevor ich mir jetzt sämtliche Personen meiner Umgebung ohne die benötigte Bekleidung vorstelle, bleibe ich doch lieber beim Thema und gebe das Schlußwort an Wilbur, der nach einem kurzen Blick in die Kristallkugel für die Zukunft von COUNT RAVEN folgendes zu Protokoll gibt:
Ich will mich nicht festlegen, was als nächstes von der Band zu erwarten ist, aber man kann damit rechnen, daß ein weiteres Studioalbum in Bälde zu haben sein wird, aber auch eine Tournee stattfinden wird. Genauere Termine oder Zeitpläne kann ich zwar noch nicht nennen, aber hoffentlich lassen sich beide Vorhaben innerhalb dieses Jahres realisieren!
Na, das klingt ja schon recht viel versprechend. Wollen wir hoffen, daß es COUNT RAVEN gelingt, dieses Vorhaben umzusetzen. Für das "Bang Your Head!!!"-Festival 2006 sind die Schweden auf jeden Fall bereits bestätigt und auch ein weiteres Studioalbum würde Sinn manchen. So mancher Mittwochabend in Südafrika wäre dadurch bestimmt um einige Zeit länger...
Photos: Stefan Glas