DISILLUSION (D, Leipzig) – Gloria
METAL BLADE RECORDS/SPV
Ich denke, es war ein Fehler, mir im Vorfeld der Veröffentlichung von »Gloria« »Back To Times Of Splendor«, das letzte Werk der Leipziger DISILLUSION durch intensiven Hörgenuß vehement ins Gedächtnis zu rufen. Besagtes Werk war gesegnet von progressiven Kompositionen, die immerzu in trauriger Melancholie vorgetragen wurden, aber dennoch eine Art Hoffnungsschimmer für den Hörer aufkommen haben lassen. Die Intensität der Songs ist auch einige Zeit nach der Veröffentlichung noch immer zugegen und nicht zuletzt dadurch wird dieses Werk einen Ehrenplatz in der Metal-Historie innehaben.
Wie auch immer, gut zweieinhalb Jahre später hat das Trio DISILLUSION mit »Gloria« ein neues Album am Start, das zumindest für mein Dafürhalten so gut wie nichts wie »Back To Times Of Splendor« gemeinsam hat.
DISILLUSION wissen mittlerweile bestens, wie man ein neues Album interessant machen kann und haben im Vorfeld durch diverse Trailer bereits die Spannung, das gesamte Album endlich hören zu können, ins Unermeßliche getrieben. Eben diese, irgendwie nicht ganz einfach zu verarbeitende und zu durchblickende Trailer, deren audiovisuelle Umsetzung auf das kriminalistische Interesse der Hörer abzielen, werden aber nicht die einzigen Fragezeichen sein, mit denen sich der Hörer nach intensivem Genuß von »Gloria« konfrontiert sieht.
Als generelle Überlegung muß sogar hinterfragt werden, ob denn tatsächlich noch immer dieselbe Band mit Namen DISILLUSION hier am Start ist.
Doch, sie ist es, in der Tat. Allerdings haben die Herren Andy Schmidt (v, g), Rajk Barthel (g) und Jens Maluschka (d) nunmehr versucht, eine ganz eigene Art von Musik zu kreieren. Aber nicht nur die Melancholie vom Debut blieb dadurch auf der Strecke, sondern auch die seinerzeit progressiv metallisch ausgeführten Klänge. Auf »Gloria« gilt es für den Zuhörer zunächst erst einmal zu entdecken, wohin die musikalische Reise gehen wird. Dieses Unterfangen entpuppt sich allerdings als kein Einfaches. Ich persönlich hatte von Beginn an den Eindruck, DISILLUSION würden sich nunmehr deutlich stärker in Richtung US of A orientieren und zwar in jeder Hinsicht. Ob man vielleicht aus diesem Grunde »Gloria« von Adam Ayan in Portland abmischen hat lassen, mag sein, ab es ist ja nicht nur die Ausführung, die mich an Musik aus den Staaten denken läßt. Von den Songstrukturen fallen mir gelegentlich TOOL oder auch A PERFECT CIRCLE ein, deren eigenwilliges Songwriting ja auch nicht unbedingt einfach zu begreifen ist. Auf »Gloria« finden sich einige Passagen, durch die man DISILLUSION in die Nähe der genannten Truppen wähnen könnte, doch vor allem dann, wenn die Gitarren in leidenschaftlicher Hingabe Melodien spielen, die eher der sogenannten "World Music" entstammen könnten, ist diese Vergleichsmöglichkeit abermals dahin. In weiterer Folge merkt man dem Trio, das sich im Moment daran macht, die Band hinsichtlich anstehender Konzerte zu "vergrößern", auch an, daß es eine gewisse Affinität zu geradezu kalten, sterilen elektronischen Klängen nicht verleugnen kann. Diesbezüglich muß ich aber sofort hinzufügen, daß DISILLUSION keineswegs experimentieren, sondern mit diesen Klängen eine angenehm kalte Atmosphäre entstehen lassen, der man sich gar nicht so schnell wieder entziehen will. Auch der Gesang wurde an die neuzeitliche Orientierung angepaßt, Andy offenbart hier nicht mehr sein gesamtes Spektrum von derbem Gegrunze bis hin zu glasklarem und unter die Haut gehenden Tönen, sondern klingt teilweise "neutral" , ab und an aber auch fast maschinell degeneriert.
Wo auch immer man Vergleiche zu »Back To Times Of Splendor« anstellen mag, es wird sehr schwierig sein, Parallelen zu finden. DISILLUSION haben sich mit »Gloria« neu erfunden und ein packendes, eigenständiges und intensives Album abgeliefert, das allerdings die nötige Hingabe erfordert, um in die Tiefe der Klangwelt dieser Truppe einzutauchen.
beeindruckend | 12 |