Inmitten all des Chaos und Verzweiflung, die auf diesen Seiten wüten, kommen wir nun zu einer Insel der Ruhe. Zu einem Film von einem Mann, der neben François Truffaut, Jean-Luc Godard und Claude Chabrol zu den ganz Großen des französischen Kinos des letzten Jahrhunderts zählt: Eric Rohmer. 1920 als Jean-Marie Maurice Schérer geboren arbeitet er zunächst als Lehrer. Doch in den Fünfziger Jahren wendet er sich, zunächst als Journalist, dem Filmmetier zu. 1959 entsteht schließlich sein erster Spielfilm "Im Zeichen des Löwen".

"Claires Knie" von 1970, als fünfter Film in Rohmers Zyklus "Sechs moralische Geschichten" erschienen, dreht sich um den 35-jährigen Diplomaten Jérôme, gespielt von Jean-Claude Brialy, der kurz vor seiner Hochzeit einen Urlaub in den französischen Alpen macht, wo er seine ehemalige Geliebte Aurora trifft. Viel wichtiger ist jedoch die Begegnung mit der 17-jährigen Claire, die sehr spät, erst in der Mitte des Films in sein Leben tritt. Von der grazilen Schönheit des Mädchens, von der bezaubernden Filmdebütantin Laurence de Monaghan verkörpert, völlig gefesselt, ist Jérôme ab sofort von dem Wunsch beseelt, Claires Knie zu berühren.

Was oberflächlich betrachtet nach einer eher belanglosen Story aussieht, mutiert in Rohmers Inszenierung zu einer wahren Freud-Vorlesung: Der Film lotet die Dynamik zwischen Ich, Es und Über-Ich bis in seine Tiefen aus. Mit sicherer Hand in teils großartigen Bildern photographiert ist "Claires Knie" ein sehr poetischer Film, der für Cineasten auch 35 Jahre nach seiner Entstehung noch ein wahrer Genuß sein dürfte.