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SEPULTURA
MOBY DICK (H)
LEANDER RISING
SOCIAL FREE FACE
HELLAND
HAMMERCULT

Szombathely (Ungarn), Agora Sporthaz

26.04.2013

Ihr wißt ja, wie das mit dem Berg und dem Propheten ist. Eben, und da die zuletzt beim "Thrashfest 2011" wieder in Top-Form agierenden "Samba-Boys" auf ihrer aktuellen Tournee um den Osten Österreichs einen recht großen Bogen gemacht haben, führte die "Thrash-Pilgerreise" uns "Berge" ins benachbarte Ungarn, um die "Propheten" bei ihrem Live-Debut (!) in der westungarischen Metropole Szombathely zu bestaunen.

Da diese ohnehin nur halb so weit entfernt ist wie die Bundeshauptstadt, fühlt sich die Chose ohnehin nach einem "Heimspiel" an und so gelingt es locker pünktlich um 18 Uhr vor Ort zu sein. Das "Agora Sporthaz" entpuppt sich als überaus geräumige Veranstaltungshalle, das zwar von außen einen durchaus sanierungsbedürftigen Eindruck macht und gewissermaßen auch noch diesen "klassischen" Ex-Ostblock-Charme versprüht, im Inneren jedoch erweist sich das Gebäude als überaus gut angelegte Räumlichkeit, die wohl in etwa 1.500 bis 2.000 Menschen Platz bietet und durch die steil emporragenden Sitzreihen an die "Stadthalle F" in Wien erinnert.

HAMMERCULT-Liveshot

Zu diesem Zeitpunkt tummeln sich jedoch erst ganz wenige Metaller in der Halle, von denen noch dazu wohl noch kaum jemand die mit viel Selbstbewußtsein und noch mehr Motivation die Bühne enternden HAMMERCULT kennt. Die Israelis, die als Support auf der kompletten Europatour der Brasilianer gebucht sind, lassen sich aber auch gar nicht lange bitten und hämmern wie Berserker durch ihr Set. Unglaublich, welche Energie das Quintett auf die Bretter zaubert! Mehr als nur vorbildlich, wie sich diese Truppe ins Zeug hängt, grade so, als wären sie erneut in Wacken zu Gast - diesmal jedoch auf der großen Bühne und nicht so wie 2011 beim "Metal Battle", den die Burschen für sich entscheiden konnten. Angeführt von Frontmann und Sympathieträger Yakir Shochat, der hinsichtlich Habitus und auch der Optik ein klein wenig an eine schlankere und jüngere Ausgabe von EXODUS-Frontklops Rob Dukes erinnert, ackern sich die Jungs durch die Brachial-Granaten ihres ersten Albums »Anthems Of The Damned« und wissen im Verlauf der zwar leider verdammt kurzen, dafür aber um so intensiveren Spielzeit zumindest, die ersten Körper zum Schwitzen zu bringen. Bravo!
Der Grund weshalb die Israelis so früh auf die Bretter gehen müssen, ist schnell erklärt. Der ungarische Veranstalter hat aus taktischen Gründen gleich vier einheimische Supportbands engagiert, wohl nicht zuletzt, um sicherzugehen, daß sich die Premiere von SEPULTURA auch finanziell lohnt. Keine schlechte Idee, zumal sich im Laufe des Abends geschätzte 1.000 Zuseher einfinden, und zudem interessant, da man sich als "Unwissender" einen durchaus guten Eindruck der aktuellen Szene in Ungarn machen kann.

HELLAND-Liveshot

Völlig unbekannt sind mir bis zu diesem Abend die Herrschaften von HELLAND, die in der Heimat aber bereits über ein mehr als nur beachtliches Gefolge verfügen, denn auf einmal sieht es in Sachen Zuschauerzahl wirklich gut aus. Die erst zu Beginn des Jahres gegründete Formation hat melodischen, teils mit traditionellen NWoBHM-Sounds durchzogenen Heavy Rock/Metal zu bieten, der von denFans - wie auch so manche Ansage, von denen ich leider nichts verstehe - mit viel Applaus bedacht. Daß die Jungs offenbar schon länger im Geschäft sein müssen, bemerkt man aufgrund der Klasse des Materials recht schnell, doch erst der Hinweis eines magyarischen Metallers bringt mir dann endlich Licht in meine Dunkelheit, als mir dieser erklärt, daß es sich bei HELLAND um ein neues (Neben?)Projekt von Dávid Nagy, dem ehemaligen Gitarristen von POKOLGEP, und seinem früheren Drummer Csaba Czébely handelt.

SOCIAL FREE FACE-Liveshot

Kein schlechter Anfang also, noch ein wenig mehr tut sich im Publikum aber bei SOCIAL FREE FACE, die danach an der Reihe sind und eine gefühlte Wagen-Ladung voll deftiger Hardcore-Songs in straffer Old School-Manier runterrotzen. Dazu passend wirkt auch das Auftreten der augenscheinlich auch schon etwas reiferen Band, wie auch die offensichtlich politisch motivierten Ansagen (zumindest habe ich mir eingebildet, einen Zusammenhang zwischen dem Wort "Orban" und dem mehrfach gebrauchten, ausgestreckten Mittelfinger des Sängers erkannt zu haben...) des Sängers. Für Stimmung ist unter den Fans zwar reichlich gesorgt, mir persönlich haben HELLAND doch deutlich mehr gegeben.

LEANDER RISING-Liveshot

Zu einem echten "Wechselspiel" entwickelt sich dann der Auftritt der aus der ungarischen Hauptstadt angereisten LEANDER RISING. Und zwar, weil zunächst einmal festzustellen ist, daß die Jungs unglaublich fit an ihren Instrumenten sind und daher auch bravourös ihr abwechslungsreiches Programm darbieten können, aus dem man neben Inspirationen aus dem Melodic Death Metal und dem Modern Metal (frühe MNEMIC und MERCENARY sind mir immer wieder durch den Kopf gegangen) auch jede Menge an elegischen Düster-Passagen (à la PARADISE LOST oder MOONSPELL) und ebenso nicht gerade wenige, abgefahrene Prog-Metal-Passagen und technischen Thrash-Kabinettstückchen heraushören kann. Letztere gehen zum Großteil aus das Konto des wohl bekanntesten Musikers der Band, Attila Vörös. Dieser war bekanntermaßen zuletzt als Gitarrist bei NEVERMORE aktiv und hat auch auf Warrel Danes Soloscheibe mitgewirkt. Wenig verwunderlich also, daß seine Klampfe auch bei LEANDER RISING amtlich knallt. Nachvollziehbar wird so auch, wie es sein konnte, daß auf dem 2012er Debutalbum der Magyaren ein gewisser Jeff Loomis für einige Gastbeiträge gewonnen werden konnte.
Dennoch wirkt die Chose in der Live-Darbietung noch nicht wirklich voll ausgereift. Vor allem was die Strukturwechsel und den Klargesang betrifft besteht noch reichlich Nachholbedarf, denn "rund" klingt definitiv anders. Dennoch wird man von LEANDER RISING wohl auch auf internationaler Ebene noch einiges zu hören bekommen, und die Basis stimmt auf jeden Fall auch bereits.

MOBY DICK [H]-Liveshot

Nach der nächsten Umbaupause ist zu erkennen, daß ein Großteil des Publikums wohl auch ohne den eigentlichen Headliner zugegen gewesen wäre, denn die aus Sopron angereisten MOBY DICK werden geradezu euphorisch empfangen. Kein Wunder, schließlich hat die Band bereits vor 30 Jahren als eine von ganz wenigen Formationen für schwermetallische Klänge im Westen Ungarns gesorgt, und zudem konnten sich die Herrschaften seit ihrer Reunion vor etwas mehr als zehn Jahren durch unzählige Gigs wieder in Erinnerung rufen. Allerdings hat sich seit dieser Phase die Ausrichtung deutlich verändert, bieten die Herrschaften rund um Szene-Ikone Tamas Schmiedl (der seit einigen Jahren unter dem Banner BLOODY ROOTS eine weitere, noch deutlich heftigere Band anführt, die jedoch aus nachvollziehbaren Gründen hier und heute nicht engagiert worden ist) seit den 00er Jahren doch eher deftige Thrash-Kost mit rauhkehligem Gesang. Dieser kommt aber auch bei den (offensichtlich) älteren Kompositionen ganz gut zur Geltung, wobei ich diesbezüglich mehrfach an einen derbe Ausgabe der frühen RAGE mit METALLICA-Schlagseite denken muß. Für die Band erweist sich der Auftritt jedenfalls als Sieg auf ganzer Linie, denn ganz egal was auch immer Tamas der Menge mitzuteilen (ich weiß, es wird Zeit für einen VHS-Kurs "Ungarisch für Anfänger"...) hat, es wird ebenso frenetisch bejubelt wie die dargebotenen Songs.

SEPULTURA-Liveshot

Die letzte Umbau (beziehungsweise Rauch-)Pause, die selbstredend vor der Halle "überbrückt" wird, verrät, daß aber auch der Headliner sehnsüchtig erwartet wird, denn die geschätzte Zweihundertschaft auf dem Vorplatz gerät ab dem Erlöschen der "Pausenmusik" fast schon panikartig in Bewegung, um ins Innere zu stürmen. Noch während dieser "Völkerwanderung" wird es auch stockfinster im Saal, und die Brasilianer betreten begleitet vom Intro die Bretter, um mit einer fulminanten Version von ›Troops Of Doom‹ loszulegen, an die ein nicht minder bretthart intoniertes ›Refuse/Resist‹ angeschlossen wird. Die Stimmung ist zu diesem Zeitpunkt allerbestens, und auch die Band scheint überaus zufrieden, wie das schelmische Grinsen von Derrick Green verrät. Der Fronthüne schafft es jedoch mit seiner überaus sympathischen Art, die Stimmung weiterhin anzuheizen, und spätestens ab dem nächsten Doppelschlag ›Kairos‹/›Desperate Cry‹ ist ziemlich klar, daß SEPULTURA nur gewinnen können. Mein Eindruck täuscht nicht, denn Derrick streut bald darauf dem Publikum insofern Rosen, in dem er in einer seiner Ansagen kurz darauf eingeht, daß die Band noch nie hier gespielt hat und - nach Worten ringend - nur noch kurz und knapp hinzufügt, daß SEPULTURA wohl so schnell wie nur möglich wiederkommen müßten.
Gute Idee übrigens, denn auch wenn bei neueren Tracks wie ›Dialog‹ oder ›Mask‹ der Stimmungspegel nicht ganz gehalten werden kann, läßt sich kaum etwas bemängeln. Andreas Kisser und sein Arbeitsgerät fusionieren im Laufe des Sets regelrecht zu einer Einheit, und auch bei Paolo Jr. erweckt es den Eindruck, als ob sein Baß zu einem Körperteil geworden wäre. Ganz besonders hervorzuheben gilt es allerdings die Leistung von Jungspund Eloy Casagrande, der sowohl für mörderischen Groove sorgt, mit zahlreichen Fills aber auch die fehlende zweite Gitarre kompensiert und dabei sein Drum-Kit vermöbelt als gäbe es kein Morgen. Auch sein kurzes, unglaublich präzises Solo - zwischen ›Territory‹ (ja, auch ungarische Kühe können fliegen...) und dem Gnadenstoß ›Arise‹ (...und wollen gar nicht zur Landung kommen!) zudem perfekt positioniert - weiß zu imponieren, so daß gegen Ende hin der Saal nicht zuletzt durch seinen Einsatz regelrecht bebt.
Da Szombathely aber noch lange nicht genug hat, wird die Band nur gerade einmal zum Verschnaufen von den Brettern gelassen. Doch das scheint genug für SEPULTURA zu sein, die sich mit ›Ratamahatta‹ im Kollektiv lässigen Grooves hingeben, bevor nach dem von Derrick souverän dirigierten und ein letztes Mal lautstarke Publikumschöre auslösenden ›Roots Bloody Roots‹ nach fast zwei Stunden Spielzeit endgültig der Vorhang fällt und ein wirklich gelungener Abend in der "Nachbarschaft" ein Ende findet. Und noch an Ort und Stelle wird klar, daß gegen ein abermaliges "Berg und Prophet"-Spielchen aber auch wirklich gar nichts spricht!


Walter Scheurer

Photos: Walter Scheurer


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