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"Springdoom Depression II"-Festival

Wien, Escape Metalcorner

17.04.2010

Zum zweiten Mal bereits luden die Kollegen von SOUNDWALL ENTERTAINMENT zur "Frühlingsdepression" in Sachen Doom. Damit haben die Herrschaften einen Ableger zu ihrem bereits renommierten "Doom Over Vienna" in die Welt gesetzt, der mit nicht minder interessanten Acts aufwartet, und von daher konnte man sicher auch sein, daß sich der Club gut füllen sollte. Dem war an sich auch so, als ich pünktlich vor Beginn des Konzerts eintraf, um jedoch gleich von einer Hiobsbotschaft empfangen zu werden: DAWN OF WINTER - zugegebenermaßen der Grund schlechthin, weshalb ich mich schon monatelang auf diesen Abend gefreut hatte - mußten ihren Gig nämlich sehr kurzfristig absagen. Da die Band eingeflogen werden sollte, zu jenem Zeitpunkt aber der Flugverkehr auch in Österreich und Süddeutschland bedingt durch die Aschewolke des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull (cooler Name für eine Black Metal-Band meiner Meinung nach übrigens...) lahmgelegt wurde und kurzfristig keine Anreisealternative mehr zu organisieren war, mußte die Headlinerposition ersatzlos gestrichen werden.
Genauer gesagt wurde diese an HOODED PRIEST weitergereicht und den anderen Bands mehr Spielzeit gewährt, was sich auch bezahlt machen sollte. Die Absage von DAWN OF WINTER (die übrigens versprochen haben, ihren Gig nachzuholen - wir nehmen Euch beim Wort!) sollte dann aber auch der einzige Wermutstropfen eines überaus gelungenen Abends sein.

ANGOR [A]-Liveshot

Für dessen Eröffnung sorgen die Oberösterreicher ANGOR, die zwar rein stilistisch nicht wirklich zum Thema passen, weil Doom nicht einmal in Ansätzen in ihrem Sound zu vernehmen ist, doch ihr selbst als "Drunk And Nihilistic Metal" bezeichneter Stil wird zumindest von einem Teil des Publikums dennoch ganz gut aufgenommen. Mit pechschwarzen Sounds, die von den beiden Gitarren recht druckvoll umgesetzt werden, scheint sich das Quintett in ihrer Heimat Schärding bereits ein beachtliches Gefolge erspielt haben zu können, aber auch an diesem Abend in Wien erntet die Band mehr als nur Höflichkeitsapplaus. Allerdings möchte ich doch noch hinzufügen, daß Sänger "Junky" hinsichtlich seines Auftretens etwas einfallen lassen sollte. Seine eher punkig anmutende Attitüde und der teilweise symphonisch anmutende, erhabene Sound ergeben nämlich nicht unbedingt ein stimmiges Bild, auch wenn die aggressiven Passagen durchaus harmonisch klingen. Doch einen Fan kann sich das Quintett sehr wohl erspielen, denn zum ersten Mal an diesem Abend fällt mir ein älter Herr mit wallendem, grauem Haar und ebenso imposantem, ergrautem Gesichtsbewuchs auf, der sich vor die Bühne begibt und zu den Songs von ANGOR heftig bangt. Da die Burschen ohnehin zahlreiche Fans und Freunde mitgebracht haben, ordne ich zu diesem Zeitpunkt auch diesen "Doom-Opa" der Band zu, womit ich mich - wie sich einige Stunde später herausstellt - allerdings irren sollte.

COJONES-Liveshot

In der anschließenden Umbaupause herrscht zwar auf der Bühne reichlich Gewusel, doch ganz vorne läßt sich ein junges, unscheinbares Bürschchen nicht aus der Ruhe bringen und kümmert sich sorgfältig um jedes kleine Detail an Kabeln und Instrumenten. Dabei handelt es sich jedoch nicht um den "Chef-Roadie", sondern um Bojan, den Frontmann der Kroaten COJONES, die nun an der Reihe sind. Schon während des ersten Songs entpuppt sich der noch kurz davor wie die Ruhe selbst wirkende Kerl als sprichwörtliches Rumpelstilzchen, der nicht nur Hummeln, sondern offenbar ein ganzes Insektenhaus im Allerwertesten zu haben scheint. Aber nicht nur durch seine Agilität, sondern auch mit ihrem irgendwo zwischen Stoner Rock, Heavy Rock und Doom anzusiedelndem Sound gewinnen die Jungs an diesem Abend das Auditorium binnen weniger Songs für sich. Begeistert zeigt sich auch der bereits erwähnte ältere Herr, den es abermals kurzfristig in die vordersten Reihen treibt, um sich die Burschen ganz genau anzusehen. Als der gute Bojan dann seine Gitarre zur Seite stellt, um sich nur noch auf den Gesang zu konzentrieren, geht dann auf der Bühne, wie auch im Publikum wahrlich die Post ab. Respekt, vor allem dafür, trotz dieses Bewegungsdranges nicht über eines der zahlreichen Kabeln gestolpert zu sein und zugleich mit einer überaus imposanten Gesangsdarbietung aufzuwarten. Furztrocken und soundtechnisch ebenso mehr als passabel agiert aber auch seine Mannschaft. Man kredenzt Sounds, die an KYUSS denken lassen, wie auch "Dicke Eier"-Riffs, die durchaus auch direkt aus der Region New Orleans stammen könnten. Kurzum: ein wahrlich imposanter Gig, beim dem sogar eine Blockflöte (!) zum Einsatz kommt, wenn auch nur für ein Intro. Nette Einlage, wenn auch keineswegs repräsentativ für den auf deftigen Gitarren basierenden Sound der Kroaten.
Für Interessenten sei noch angefügt, daß COJONES ihre beiden bisherigen Veröffentlichungen (das 2008er Album »Sunrise«, sowie ein Split-CD zusammen mit den Kollegen von UMOR) gratis als Download über ihre Webpräsenz anbieten.

UMOR-Liveshot

Mit den besagten Kollegen geht es dann auch innerhalb kurzer Zeit weiter. UMOR, die ebenso wie COJONES in Zagreb beheimatet sind, offerieren jedoch Doom Metal in Reinkultur. Intensive, harsche Riffs dominieren, Lavasounds par excellence strömen in den mittlerweile prallgefüllten Club und lassen dabei immer wieder an jene Größen der Szene denken, die vor mittlerweile gut 20 Jahren mit Moll-getünchten Elegien die Fans beglückt haben. Der spindeldürre, schlaksige Sänger Goran läßt hinsichtlich seines Auftretens zum Teil gar an den jungen Lee Dorrian denken, allerdings setzt der Knabe auf Klargesang, der mitunter in Höhenbereiche vordringt, die mir desöfteren die ganz frühen CONFESSOR in Erinnerung rufen. Das Quartett scheint gut aufeinander eingespielt zu sein und läßt sich auch von kurzzeitig einsetzenden technischen Problemen keineswegs aus der Ruhe bringen. Auch bei UMOR läßt sich feststellen, daß ihr Gebräu mit offenen Armen und Ohren empfangen wird, auch wenn wohl nur wenige Fans mit dem Material der Band vertraut sind. Abhilfe verschafft übrigens auch hier die Webpräsenz, denn auch UMOR haben ihre erste, selbstbetitelte EP für lau anzubieten. An der Intensität ihres Sounds gibt es nichts zu meckern, hinsichtlich der Umsetzung auf der Bühne darf es aber gerne noch ein klein wenig mehr an Hingabe sein, doch ansonsten ist man in Wien zufrieden von der Darbietung der Kroaten, der selbstredend auch der bereits erwähnte, optisch nicht mehr ganz so jugendlich wirkende Hüne beiwohnt.

HOODED PRIEST-Liveshot

Kurze Zeit später wird mir dann endlich klar, um wen es sich hierbei eigentlich handelt. HOODED PRIEST-Frontmann Luther "Finlay" Feldmark ist es, der sich von den anderen Band nicht nur ein Bild macht, sondern diese durch seine geradezu vorbildliche Art und Weise auch regelrecht anstachelt. Jetzt aber steht der Hüne selbst auf den Brettern, hat sich dafür dezent Schminke um die Augen verpaßt (üblicherweise zeigt sich der gute Mann, wie auch seine Mitstreiter mit "vollständigem" Corpsepaint im Gesicht) und in einen grauen "Anzug" geschmissen. Als "HOODED PRIEST" zeigt sich der gute Mann zwar outfitmäßig nicht, doch das ändert selbstverständlich nichts an der Tatsache, daß diese Band zur Doom-Vollbedienung antritt. Als optisch besonders beeindruckend erweist sich zunächst einmal der Umstand, daß Otto von Zelst mit einer Baßgeige (!) die Bühne entert. Zusammen mit Quornelius Backus am Schlagzeug gibt Otto einen massiven Rhythmus vor, der mit mächtigem Druck von der Bühne geballert kommt. Weshalb HOODED PRIEST an diesem Abend nur als Quartett agieren und nur ein Gitarrist mit von der Partie ist, kann ich Euch zwar nicht mitteilen, doch "Riffteufel" Niklas Szàtan versteht es auch im Alleingang ganz famos mit seiner Flying V Akzente zu setzen und anbetungswürdig zu riffen. Auch sein Shirt der tschechischen Black Metal-Institution ROOT kommt offenbar nicht von ungefähr, schließlich fühle ich mich vor allem durch "Finlay" desöfteren an diese Truppe, vor allem aber an deren Frontmann Jiri "Big Boss" Walter erinnert. Die musikalische Darbietung unterscheidet sich jedoch logischerweise sehr deutlich davon, denn bei HOODED PRIEST gibt es geradezu klassischen Doom in schwermetallischer Form zu beklatschen. Angelehnt an die Großmeister des Genres zelebriert die Formation, angeführt von "Finlay", der sich auf der Bühne als Charismatiker der Sonderklasse entpuppt (und optisch an eine langhaarige Ausgabe des Pfarrers meiner Heimatgemeinde erinnert...), eine Art Zeitreise durch das Genre. Wer sich im Laufe des Gigs nicht an Formationen wie BLACK SABBATH, WITCHFINDER GENERAL, DEATH ROW oder PENTAGRAM erinnert fühlt, darf von sich behaupten, dem falschen Event beizuwohnen, doch das werden nicht viele sein, denn der Großteil des Auditoriums zeigt sich mehr als nur angetan von der Darbietung. Die Stimmung im Saal ist demnach permanent auf der Höhe, und die niederländisch-belgische Formation gewinnt an diesem Abend nicht nur zahlreiche neue Fans, sondern läßt das "Escape" schweißgebadet und rundum zufrieden zurück.

Auch wenn es uns nicht vergönnt gewesen war, DAWN OF WINTER live zu sehen, so haben Gerrit und seine Mannen zumindest mit den Textzeilen

There is wisdom in the slowness
In the rhythm is the magic
In the air
And I know I've found salvation
In the music of despair

die Essenz dieses Abends perfekt auf den Punkt gebracht.

Meine Wenigkeit freut sich heute schon mächtig auf den 6. November, da nämlich laden SOUNDWALL ENTERTAINMENT abermals zum "Doom Over Vienna" ins "Escape". Und auch wenn noch einige Zeit bis dahin verstreicht, so läßt der Gedanke an einen Konzertabend mit ISOLE, MAEL MORDHA und MIRROR OF DECEPTION (sowie einigen mehr...) mein Blut jetzt schon (wenn auch selbstredend langsam und irgendwie eigenartig verdickt...) in Wallung geraten.


Walter Scheurer

Photos: Walter Scheurer


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