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”UNDERGROUND EMPIRE 4”-Datasheet

Contents:  POLTERGEIST (CH)-Interview

Date:  09.02.1991 (created), 28.02.2010 (revisited), 22.01.2022 (updated)

Origin:  UNDERGROUND EMPIRE 4

Status:  published

Task:  from paper to screen

Availability:  original printed issue still available, order here!

Comment:

Auch dieses Interview zeigt, daß Markus sich bei der Auswahl seiner Interviewthemen mehr den "normalen" Bands zugewandt hatte, will heißen Bands, die schon einen Deal hatten. Für POLTERGEIST bedeutete »Behind My Mask« allerdings das Ende des Vertrages mit CENTURY MEDIA. Witzigerweise sollte die Band ihr bestes Album zwei bis drei Jahre später abliefern, als offensichtlich kein Plattenfirmenhahn nach der Schweizer Truppe krähte, so daß sie »Nothing Lasts Forever« auf dem bandeigenen Label HAUNTED HOUSE veröffentlichen mußten.

Supervisor:  i.V. Stefan Glas

 
 

POLTERGEIST (CH)-Logo

POLTERGEIST (CH)-Bandphoto 1

Nachdem es den Mannen um Bandleader V.O. Pulver(geist) schon mit ihrem Debut gelungen war, sich quasi auf Anhieb einen Platz in der ersten Division der europäischen Speed Metal-Liga zu sichern, war uns die Veröffentlichung des Nachfolgewerkes »Behind My Mask« Grund genug, den guten Jungen einmal mit ein paar Fragen zu nerven. Doch lest selbst:

Auf jeden Fall kann man sagen, daß unsere neuen Stücke wesentlich melodiöser sind, obwohl sie gleichzeitig auch härter und schneller sind. Das hört sich vielleicht im ersten Moment bescheuert an, stimmt aber. Wir haben versucht, die Songs geradliniger zu halten und überflüssige Riffs einfach wegzulassen. Die Songs sollen flüssiger wirken und nicht durch tausend Breaks und verschiedene Riffs verlorengehen. Der erste Song ›We Are The People‹ entstand schon vor längerer Zeit, noch mit unserem alten Line-up. Ich habe den Song damals geschrieben, als all die Aufstände in der ehemaligen DDR stattfanden. Eigentlich wollten wir den Text ändern, da damals doch ziemlich viel Scheiße am Laufen war, mit dem Empfang der Ostler im Westen und so. Als es dann an die Aufnahmen ging, habe ich mich entschieden, den Text doch so zu lassen wie er ist, da die Grundstimmung, die ihm innewohnt allgemeingültig ist. Niemand hat das Recht, irgendein Volk zu unterdrücken. Der Titeltrack ›Behind My Mask‹ handelt von einer Begebenheit, die eigentlich jeder schon einmal erlebt hat. Wenn man ziemlich betrunken ist, oder sich irgendwelche Genußmittel eingefahren hat, und dann mit seinen Kumpels am Tisch sitzt, denken die, der ist zwar platt, aber es geht noch irgendwie, da du quasi eine Maske aufgesetzt hast. Hinter dieser Maske gehen deine Gedanken aber total ab, du hast das Gefühl, als ob du in eine Spirale fallen würdest. Weiter geht's mit ›Act Of Violence‹, das die Problematik von Straßengangs in Großstädten behandelt. In Basel gab es in letzter Zeit auch einige Probleme mit solchen Gangs. Es folgt, dann eine Ballade mit dem Titel ›Grey‹, deren Text ziemlich ernst und düster ist. Der Text entstand, als mich meine Freundin einmal fragte, ob ich denn irgendwann Kinder haben wolle. Ich habe dann versucht, ihr klarzumachen, daß man das nicht verantworten könne, in diese Welt Kinder zu setzen. In dem Text fragt ein kleines Kind seinen Vater, warum es nicht mehr zum spielen nach draußen gehen darf. Der Vater antwortet dann, daß das Kind krank werden würde, daß die Seen nicht mehr sauber sind und daß der Himmel nicht mehr blau, sondern grau ist. Der letzte Song auf der ersten Seite heißt ›Delusion‹. Hier geht es um die komischen Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien, wie den Republikanern in Deutschland, oder der NA in der Schweiz. Ich habe mir mal Gedanken darüber gemacht, wie weit es kommen könnte, wenn diese Leute wirklich wieder an die Macht kommen sollten. ›Drilled To Kill‹ handelt von Kindern, die von ihren eigenen Eltern an Guerilla-Organisationen verkauft werden, da sie nicht genug Geld haben, um diese zu ernähren. ›Make Your Choice‹ ist die Fortsetzung zu ›Depression‹ vom Debut. Es handelt wieder davon, daß man auf der Suche nach dem Sinn des Lebens immer wieder feststellt, daß eigentlich überhaupt nichts einen Sinn hat; und man dadurch immer schlechter draufkommt. Mir helfen solche Texte, über meine eigenen Probleme hinwegzukommen. ›Still Alive‹ ist unsere Antwort an alle Leute, die uns bis jetzt über den Tisch gezogen haben. Der letzte Song auf der Platte könnte durchaus aus den siebziger Jahren stammen. Er besteht nur aus zwei Riffs, ist aber vom Arrangement her so aufgebaut, daß er nie langweilig wird. Der Text handelt davon, wie sich die Seele vom Körper löst und hinwegschwebt. Das Stück heißt ›Drifting Away‹. CD-Bonustracks wird es diesmal keine geben, da wir der Meinung sind, daß so etwas nur Geldmacherei ist.

Auf Eurer ersten LP gab es ›Strutter‹ von KISS als CD-Bonus...

Ja, damals war diese Sache auch noch nicht so verpönt. Eigentlich haben wir das Stück nur zum Aufwärmen gespielt. Der Engineer hat einfach die Bandmaschine mitlaufen lassen. Wenn zwischendurch etwas Zeit war, haben wir immer etwas an dem Stück gearbeitet. Da ›Strutter‹ nicht so zu unserem restlichen Material paßte, haben wir uns halt entschlossen, es als CD-Bonus zu nehmen.

Ihr scheint irgendwie ein Faible für die Musik der Siebziger Jahre zu haben...

Stimmt... Alte BLACK SABBATH und RUSH, darauf fahre ich total ab. Es war aber nicht unbedingt bewußt, daß wir einen Song wie ›Drifting Away‹ aufgenommen haben. Als wir einmal ziemlich bek... (Zensur findet statt - Jawoll! - Red.) waren, waren wir genau in der Stimmung, so einen Song zu machen. Wir wollten ihn unbedingt auf die Platte nehmen, da es schon genug Intoleranz in dieser Szene gibt. Alle hören sich immer nur die Musik an, die gerade in ist und die ihre Kumpels akzeptieren. Ich finde, daß die ganze Szene ruhig etwas mehr Toleranz vertragen könnte. Ich habe keine Probleme damit, eine MORGOTH-Platte zu hören und gleich im Anschluß daran RUSH aufzulegen oder zwischenrein mal Klassik und SLAYER. Wir versuchen, die ganze Musik, die wir mögen, so zu verarbeiten, daß es interessant ist, jedes Stück für sich, aber auch gleichzeitig die ganze LP, zu hören, ohne daß man denkt, "Dieses Riff habe ich ja schon zwei Lieder zuvor gehört."

Irgendwie scheint das Feeling, das viele Bands in den Siebziger Jahren hatten, verlorengegangen zu sein...

Stimmt! Das wird wahrscheinlich auch an der Produktionstechnik liegen. Heutzutage werden Platten so aufgenommen, daß zuerst das Schlagzeug, dann der Baß, dann die Gitarren, dann der Gesang und schließlich die Overdubs eingespielt werden. Da geht viel an Feeling verloren. Wenn deine Platte heute keine überdurchschnittliche Produktion hat, wirst du von vorneherein überall niedergemacht. Dann schaut man halt schon im Studio, daß alles möglichst perfekt klingt. Früher hat eben weniger die Perfektion, als das richtige Feeling gezählt. Diesmal hatten wir allein schon aufgrund des Studios gar nicht die Möglichkeit, die Platte live einzuspielen. Auf einer der nächsten LPs werden wir das aber mit Sicherheit versuchen. Es wird aber auch noch eine Weile dauern, bis unser neues Line-up so eingespielt ist, daß wir das ohne Fehler machen können. Die alten Zeiten kann man sich nur zurückwünschen, aber ob sie wirklich wieder kommen, steht zu bezweifeln. Früher war jede Band individuell. Man konnte sie sofort an ihrem Sound und den Songs erkennen. Es war nicht so wie heute, daß es 1.000 METALLICA-Kopien gab.

Früher hatten die Bands auch mehr Mut, wenn es darum ging, sehr unterschiedliche Sachen auf ein Album zu packen...

Stimmt, wenn du dir die alten SABBATH-Scheiben anhörst, dann ist es manchmal Wahnsinn, was da alles drauf ist: Vom Samba-Stück über klassische Chöre ist alles zu hören. Das finde ich total geil.

Wie erwähnt gab es einige Line-up-Wechsel...

Von der Besetzung der ersten Platte sind nur unser Sänger Andre und ich übriggeblieben. Unser Drumer Jazzi hat uns nach den Gigs mit CORONER und WATCHTOWER verlassen, da er ziemliche finanzielle Probleme hatte. Er mußte dann anfangen zu arbeiten, um seine Schulden abtragen zu können. Graf, unser Ex-Bassist hat uns dann auch zwei Wochen später verlassen, da er nicht mehr an den Erfolg glauben konnte. Er hat dann einen sehr guten Job bei einer Versicherung angenommen. Das ist das klassische Schweizer Musiker-Syndrom. Wir haben es immer mit irgendwelchen Idioten zu tun, denen ihr geregeltes Einkommen oder ihre Freundin wichtiger ist als die Musik. Das ist echt zum Kotzen! Danach stieg dann unser neuer Bassist Marek ein. Er ist im übrigen erst 17 Jahre alt. Wir hatten dann einen Schlagzeuger, namens... ach ist doch egal, ich will gar nicht mehr wissen, wie sein Name war. Er hat dann mit uns das neue Album eingespielt, nur um anschließend den ganzen Krempel gleich wieder hinzuschmeißen. Er meinte, daß Speed Metal wohl doch nicht seine Musik wäre, und lauter so fadenscheinige Gründe. Seit ein paar Wochen haben wir nun hoffentlich den richtigen Mann gefunden. Er heißt Alex, ist 22 und kommt wie wir aus Basel. So eine geile Stimmung innerhalb der Band hatten wir schon lange nicht mehr.

Auf dem Cover der ersten LP war so ein komisches Männchen zu sehen...

Der Quamba... (? - Red.) Wir wollten das Ding eigentlich weiterhin verwenden, nur kamen uns dann TANKARD mit ihrem Alien in die Quere, der ja ziemlich ähnlich aussieht. Wir hatten das Männchen schon auf unserem Demo gehabt. Als wir dann an der Arbeit zur ersten Platte waren, haben wir uns bei TANKARD-Manager Buffo erkundigt, ob die Band das Monster weiterhin verwenden will. Er hat dann, "Ne, ne, wir werden uns jetzt auf den Professor konzentrieren", gesagt. Wir haben dann das Ding aufs Plattencover genommen, und ich habe es mir auf den Arm tätowieren lassen. Plötzlich kamen dann noch mehr TANKARD-Plattencover mit dem grünen Monster raus. Wir haben uns dann überlegt, ob wir das Ding weiter durchziehen wollen, und ewig mit TANKARD verglichen werden, oder ob wir es sein lassen. Wir haben uns schließlich für die zweite Möglichkeit entschieden. Irgendwie hat dieses Fun-Konzept auch nie zu uns gepaßt, da unsere Texte sehr düster und depressiv sind. Ich bin halt ein bißchen ein düsterer Geselle. [lacht]

Im Zusammenhang mit POLTERGEIST taucht auch immer wieder der Name Schmier auf. Er hat Euere Demos produziert und begleitet Euch teilweise auf Tour. Wird es in Zukunft eine weitere Zusammenarbeit geben?

Es liegt daran, daß wir uns drei-, viermal die Woche sehen und Party machen, da wir so ziemlich die einzigen Leute bei uns in der Gegend sind, die eigentlich jeden Tag feiern möchten. Wir kennen Schmier und DESTRUCTION schon sehr lange, und verstehen uns mit beiden Seiten immer noch sehr gut, auch wenn sie Streit haben. Es wäre wirklich toll, wenn wir mal mit HEADHUNTER oder DESTRUCTION auf Tour gehen könnten. Andre hat ja die Vocals auf der DESTRUCTION-Platte eingesungen, und trotzdem sind er, Schmier und ich noch die dicksten Freunde.

Vorbereitung, Interview & Bearbeitung:
Markus Müller

POLTERGEIST (CH) im Überblick:
POLTERGEIST (CH) – Back To Haunt (Rundling-Review von 2016 aus Online Empire 69)
POLTERGEIST (CH) – Feather Of Truth (Rundling-Review von 2020 aus Online Empire 84)
POLTERGEIST (CH) – Nothing Lasts Forever (Do It Yourself-Review von 1994 aus Underground Empire 7)
POLTERGEIST (CH) – Nothing Lasts Forever (Rundling-Review von 1993 aus Metal Hammer 06/93)
POLTERGEIST (CH) – Underground Empire 4-Interview (aus dem Jahr 1991)
POLTERGEIST (CH) – Underground Empire 6-"Known'n'new"-Artikel (aus dem Jahr 1992)
POLTERGEIST (CH) – Underground Empire 7-"Demoklassiker"-Artikel (aus dem Jahr 1994)
POLTERGEIST (CH) – News vom 27.04.1992
POLTERGEIST (CH) – News vom 23.09.1992
POLTERGEIST (CH) – News vom 25.09.2013
POLTERGEIST (CH) – News vom 31.10.2013
POLTERGEIST (CH) – News vom 19.04.2016
Soundcheck: POLTERGEIST (CH)-Album »Behind My Mask« im "Soundcheck Metal Hammer 02/91" auf Platz 16
Playlist: POLTERGEIST (CH)-Album »Nothing Lasts Forever« in "Playlist Heavy, oder was!? 58" auf Platz 5 von Stefan Glas
unter dem ehemaligen Bandnamen CARRION (CH):
CARRION (CH) – News vom 19.03.2007
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