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Portrait: Chris J. Marino

Wir möchten den Auftakt unserer neuen Rubrik einem Mann mit einer außergewöhnlichen Stimme widmen, der uns im UNDERGROUND EMPIRE erstmals vor mehr als anderthalb Jahrzehnten mit seiner damaligen Band SCARLATYNA begegnet ist: Chris J. Marino. Seither ist Chris bei etlichen Bands aktiv gewesen, und obwohl er nie den erhofften Durchbruch geschafft hat, ist er dem Metal immer treugeblieben. Ein Beispiel für einen Musiker, der immer Underground geblieben ist, und dennoch mit seiner Musik vielen Menschen Freude bereitet hat. Doch jetzt geht das Wort an Chris, der die Schilderung seiner Karriere unter das Motto "Mein Weg ist mein Ziel!" gestellt hat.


Stefan Glas

Da ich in meiner Jugend leider nicht immer ein Engelchen war, begann meine Sängerkarriere in einem Jugendclub: Ich hatte einige Jugendstrafstunden abzuarbeiten und verkaufte Getränke an der Theke. Im Keller des Clubs rockte eine Band, denen noch eine Stimme fehlte: VICTIM war sozusagen meine erste Band.

Chris J. Marino-Photo [1994]

Die Vorgeschichte dazu begann folgendermaßen: Ich war eigentlich immer ein sehr schüchterner Typ. Im Musikunterricht in der dritten Klasse, hielt ich mich meistens zurück, bis mein Musiklehrer eines schönen Morgens mit seinem Lineal auf den Tisch klopfte und sagte: "Du! Du singst mir jetzt ›Oh Tannenbaum‹!" Ich weigerte mich zunächst, doch plötzlich wurde er laut und bekam einen tomatenroten Kopf: "Sing!", brüllte er mich an. Das machte mich so wütend, daß ich ›Oh Tannenbaum‹ in einer sehr aggressiven Version dahinschmetterte, daß die ganze Klasse anfing zu jubeln und zu klatschen. Der Musiklehrer wurde erst mal sehr, sehr leise und sagte dann nur: "Dafür bekommst Du von mir eine Eins."

Chris J. Marino-Photo [2008]

Zu Hause hörte ich immer RAINBOW und Ronnie James Dio, der damals mein Vorbild war, bis ich die erste MANOWAR-Scheibe in der Hand hielt. Meine jetzige Frau brachte mich damals dazu, die Songs von RAINBOW mitzusingen.

Zwischen 1980 und '82 und einigen Auftritten in diesem Jugendclub mit VICTIM merkte ich selbst, daß ich zwar brüllen konnte, daß ich dabei aber nicht immer saubere Töne hervorbrachte. So wurde mir klar, daß ich einen professionellen Lehrer brauchte.

VICTIM [D, Sindlingen]-Bandphoto

Nachdem ich mit meiner Freundin, meiner jetzigen Frau, nach Offenbach gezogen war, lernte ich dort etwa 1984 die Band INNOCENCE kennen. In Offenbach konnte ich dann auch meine ersten Gesangsstunden bei einer Opernsängerin verbuchen und meine Gesangstechnik ausbauen. So lernte ich, mit meiner Kopfstimme umzugehen. Mit INNOCENCE ging es dann richtig los, denn wir nahmen zwei Demos auf und traten regelmäßig live auf. Ich erinnere mich da an einen Auftritt in Hanau: Ein Amerikaner war so auf unsere Musik abgefahren, daß er uns laufend Jack Daniels auf die Bühne brachte und uns sogar anschließend in sein Haus einlud. Er sagte zu mir: "You can smoke my shit, drink my whiskey and fuck my wife, you're a great singer and it's an honour for me to know you, man!" Ich war dagegen ausgepowert und wollte eigentlich nur schlafen. Zu dieser Zeit mußte ich leider mit Erstaunen feststellen, daß je größer der Erfolg der Band wurde, auch immer mehr Neid und Mißgunst innerhalb der eigenen Reihen aufkam, was ich allerdings bis heute nicht verstehen kann.

Etwa 1989 war Zeit für mich, nach einer anderen Band zu suchen, und in Form von AIRBORNE fand ich erfahrene Musiker, die zwar recht gut waren, aber ihre Musik nicht professionell anbieten wollten.

Ich suchte nach Jungs, die wirklich was ernsthaftes aufziehen wollten und traf dann 1990 die Wetzlarer Band SCARLATYNA. Ihnen fehlte ein Sänger und ein Gitarrist. Sie waren sehr cool, hatten wirklich was drauf, und es gab keine Probleme mit Drogen oder Alkohol. Zudem waren sie sehr nett und brachten den nötigen Respekt mit. So fanden wir dann auch noch den richtigen Gitarristen, der aus Rüdesheim stammte, und das Musikerdasein fing wieder an, mir Spaß zu machen. Unser Proberaum war in Wetzlar, und wir probten sehr oft. Nach zwei Demos, für die wir sehr gute Reviews im ROCK HARD, METAL HAMMER oder METAL HEART, aber auch bei anderen Magazinen weltweit ernteten, kamen wir unserem Ziel immer näher. Wir packten unser Equipment in unseren Bus und fuhren von einer Stadt in die andere.

Nachdem auch einige Plattenfirmen auf uns aufmerksam wurden, ging ganz schön die Post ab. Die Businessleute meinten damals leider, daß der Stil unseres Drummers sich nicht mit unserem decken würde, und der Zusammenhalt der Band ging langsam in die Brüche. So testeten wir einige andere Drummer, unter anderem auch Felix Bohnke, der heute Schlagzeuger bei EDGUY ist. Doch unser Bassist war mit unserem Drummer sehr gut befreundet, und die Situation schien sich zu verhärten.

SCARLATYNA-Bandphoto

So kam es, daß ich 1995 mit dem SCARLATYNA-Gitarristen Jay Dee Anisi und Felix die neue Band SAINTS & PREACHERS ins Leben rief. Die Suche nach einem geeigneten Bassisten schien schwieriger als wir dachten, aber dafür bot uns gleich nach unserer ersten Demoproduktion eine Münchener Plattenfirma einen Vertrag an, die uns sogar bei der Probe besuchten, um die vertraglichen Dinge zu klären. Zur gleichen Zeit bekam allerdings Felix auch das Angebot, bei EDGUY einzusteigen. Wie er sich entschieden hat, brauche ich ja nicht zu erwähnen. Nach dem ganzen Frust durch die Drummersuche ging auch der Weg mit meinem Gitarristen auseinander. (Hier kann die Erinnerung von Chris nicht ganz korrekt sein - was nach so langer Zeit gewiß entschuldbar ist - denn Felix Bohnke stieg erst 1998 nach der Veröffentlichung von »Vain Glory Opera« bei EDGUY ein. Doch Chris konnte später, nachdem er sich wieder mit Jay zusammengetan hatte, im Gespräch mit ihm die damaligen Zusammenhänge rekonstruieren: Felix hatte nämlich zu jener Zeit schon bei EDGUY ausgeholfen, während der offizielle Einstieg bei Tobi & Co. in der Tat erst 1998 erfolgte. Außerdem erzählte Jay, daß er zusammen mit Felix nach dem Ausstieg von Chris noch einige Sänger angetestet habe, sie jedoch keine passende Stimme finden konnten. - Red.)

SAINTS & PREACHERS-Bandphoto

Ich habe zu dieser Zeit gewissermaßen mein Mikrophon aus dem Fenster geworfen und habe es auch nicht mehr gefunden. Für mich kam die Zeit des Rückzugs: Ich ließ mir meine Mähne abschneiden und fühlte mich saft- und kraftlos. Was war mit mir nur los?

So habe ich zwischen 1996 und '97 zwei Jahre lang ohne Metal verbracht und habe jeden Tag meine Haarlänge kontrolliert. Zum Glück war die Matte nach zwei Jahren wieder da, und ich fing an, mich nach neuen Musikern umzuschauen. Dabei lernte ich INFINITY, eine ProgRock-Band aus Mainz, kennen. Hier merkte ich allerdings schnell, daß ich für diese Richtung nicht der geeignete Mann bin.

Über Anzeige fand ich 1998 die Power Metal-Band GLOW aus Coesfeld bei Münster, die sich später in ZIRON umbenannte. Sie hatten eine Produktion fertiggestellt, doch ihr Sänger, ein typischer Grunzer, war wohl ausgestiegen. Ich ließ mich auch durch 450 Kilometer Entfernung nicht von meinem Ziel abhalten und machte mich auf den Weg Richtung Norden. Nach zwei Proben und zwei gelungenen Liveauftritten fuhr ich nach Duisburg, um ihre aktuelle Scheibe an einem Tag einzusingen. Diese Produktion wurde leider nie veröffentlicht, bis auf den Song ›Time Is The Key‹, der auf dem »Deathophobia VI«-Sampler zu hören war. Schade, war 'ne coole Musik.

GLOW [D, Coesfeld]-Bandphoto

Anschließend kam ich in Kontakt mit der Band CUSTARD aus dem Ruhrpott, bei denen ich mich als Sänger bewarb. Mit ihrem Material konnte ich eben jene Münchener Firma begeistern, die zuvor schon Interesse an SAINTS & PREACHERS gezeigt hatte, und fuhr mit einem Deal in der Tasche sowie stolzgeschwellter Brust zu der Band. Leider wollte aber eines der Bandmitglieder überhaupt nicht auf mich eingehen, so daß diese Angelegenheit ruckzuck beendet war.

1999 bekam ich einen Anruf von SILENT SCREAM aus dem Schwarzwald, einer Prog-Metal-Band mit Goth-Einflüssen. Wir einigten uns, den Bandnamen zu wechseln, und ich hatte die passende Idee für einen neuen Namen: CRYSTAL CROW. Die Band hatte mehrere Songs und ein Riesenprogramm zu bieten, und ich schrieb, was das Zeug hielt. Mit ihnen stand ich zweimal sehr erfolgreich auf der Bühne. Die Reaktionen des Publikums waren riesig, aber auch hier war die Band leider nicht geschlossen genug, um das Ding durchzuziehen. Zwei Musiker aus dieser Besetzung sind heute mit neuem Line-up und gleichem Namen erfolgreich unterwegs. Ich habe ihnen den Bandnamen überlassen und wünsche den Jungs an dieser Stelle superviel Glück und Erfolg.

CRYSTAL CROW [D]-Bandphoto

Ach ja, da gab es zwischenzeitlich die Anzeige von ANGEL DUST: Ich schickte ihnen ein Bewerbungsdemo und bekam auch ein sehr positives Feedback. Leider wartete ich über drei Wochen auf das angekündigte Material, das ich hätte einstudieren sollen. Als ich mich dann bei ihnen meldete, erfuhr ich, daß das Material zu ihnen zurückgesendet worden war, ohne daß ich es einmal hatte hören können. Der neue Postbote hatte den Schlitz meines Briefkastens nicht gefunden, hahaha! Als ich dann das Material später doch bekommen hatte, war der Käse so gut wie gelutscht, und sie hatten sich für einen anderen Kandidaten entschieden.

Mit dem festen Willen, eine neue Band zu finden, traf ich dann die Jungs von AMYRIS. Doch hier war die musikalische Ausrichtung der ausschlaggebende Punkt, warum ich mich wieder von ihnen löste. Sie wollten mehr in die Progressive-Ecke, und das war nicht mein Ziel.

AMYRIS-Bandphoto

Auch die Band AMITY suchte schon sehr lange nach einem geeigneten Frontmann, und ich wollte es mit ihnen probieren, so daß ich zwischen 2003 und 2005 bei AMITY mitmachte. Auch hier fühlte ich mich nicht wohl, da sich unsere Stilvorstellungen und auch unsere Ziele nicht ganz decken wollten, da sie ihre Musik nicht ernsthaft betreiben wollten.

Eines Abends bekam ich einen Anruf von Markus Schmitz, einem Drummer, den ich lange Jahre nicht gesehen hatte. Er hatte sich mit Barry Savage zusammengetan, dem ehemaligen Gitarristen von der britischen Band CANCER, der auch mal als Gastmusiker bei CRADLE OF FILTH fungiert hatte. Wir riefen dann 2005 zu dritt DESTROYED EDEN ins Leben, und auf die gemeinsame EP »Sons Of The 7th Sign« sind wir alle auch mächtig stolz. Doch Barry lebt jetzt wieder mit seinem Sohn in der Schweiz.

Aus DESTROYED EDEN wurde 2007 nach dem Weggang von Barry dann die Band STEELRAY.

STEELRAY-Bandphoto

Wegen persönlichen Auseinandersetzungen und auf Wunsch unseres Drummers Markus fand dann ein Gitarristenwechsel statt, was letztlich den Start für meine aktuelle Band SONGAN TYEE bedeutete. Der Name kommt aus dem Indianischen und bedeutet "Starker Häuptling". Mit Till Oberboßel (Gitarre) und Christian Beier (Baß) habe ich endlich die passenden Mitstreiter gefunden, um unserer Metalwelt etwas ganz großes bieten zu können. Nachdem Markus aber nicht so wirklich an den Erfolg von SONGAN TYEE glauben wollte und mir die Sache mit dem Gitarristenwechsel sehr an die Leber ging, blieb uns nichts anderes übrig, als uns zu trennen. Er hatte zudem einige Male geäußert, daß er ein Soloprojekt starten müsse. Ich brauche jedoch Teamarbeiter!

Zwischenzeitlich nahm die Band SAVAGE SANCTUM Kontakt mit mir auf, was dazu führte, daß ich deren Demo einsang.

Durch die Suche nach dem geeigneten Drummer für SONGAN TYEE stieß ich auf die die coolen Jungs von FLAMING SENSES, die auf die harte Variante des Thrashs stehen: Conny und Alex Fink, zwei Brüder, die zwar geographisch voneinander getrennt wohnen, aber musikalisch auf einem Nenner sind. Der ursprünglichen Idee, ihnen meine Stimme zu leihen, entsprang mittlerweile eine richtig coole Band: FLAMING SENSES-Drummer Alex wird nun auch bei SONGAN TYEE trommeln, während Christian, mein bester Freund und Basser von SONGAN TYEE, nun auch bei FLAMING SENSES den Baß bedient. Die Bandproben finden natürlich zur gleichen Zeit im gleichen Proberaum statt, und die Demos für beide Bands demnächst aufgenommen werden. So schließt sich ein Kreis nach dem anderen.

FLAMING SENSES-Bandphoto

Ich hoffe, Ihr besucht zahlreich unsere Konzerte und kauft unsere Produktionen, damit wir gemeinsam unserer Welt zeigen können, daß Metal nicht nur eine Musikrichtung, sondern fast eine Religion ist. Schuster, bleib' bei deinen Rappen!


"For me Heavy Metal will never die and I will give all my power to the metal.
All my brothers and sisters in this fucking world! Believe and bang your head for the true part of life!"

Mein Weg ist mein Ziel!


Euer Chris Jamie Marino

Soweit also Chris, der uns ausführlich über seinen Werdegang berichtet hat, so daß wir zum Abschluß nur noch ein paar Links loswerden wollen, so daß Ihr auch in die Musik reinhören könnt. Für die beiden aktuellen Bands von Chris gibt es jeweils eine MySpace-Seite; SONGAN TYEE findet Ihr hier:

http://www.myspace.com/songantyee

während FLAMING SENSES hier beheimatet sind:

http://www.myspace.com/flamingsensesmetal

Darüber hinaus hat Chris auch zwei private MySpace-Seiten:

http://www.myspace.com/chrisjamiemarino

widmet sich hauptsächlich seiner musikalischen Karriere, so daß Ihr hier auch noch ein paar ältere Songs hören könnt. Eher privater Natur ist indes die zweite MySpace-Präsenz von Chris:

http://www.myspace.com/acechris1

Natürlich werden wir die weitere Karriere von Chris mittels unserer News und in Form von Reviews zu seinen kommenden Aufnahmen weiterverfolgen!

Nachtrag 3. Februar 2016: Mittlerweile sind einige Jahre ins Land gezogen, und wir haben auch mehrfach News über Chris und seine Projekte veröffentlicht. Doch jetzt steht ein neuer großer Schritt an, so daß wir diesem "Portrait" einen zweiten Teil anfügen werden, den Ihr hier finden könnt.


Stefan Glas


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